Betrachtungstext: 4. Woche im Jahreskreis – Sonntag (B)

Staunen beim Hören des Wortes Jesu – Angst zu springen – Die Sorgen bebeten

DAS EVANGELIUM des heutigen Sonntags führt uns in die Synagoge von Kafarnaum, wo Jesus am Sabbat lehrt. Mit seiner Schriftauslegung war der Herr in der Vergangenheit öfters auf Ablehnung gestoßen (vgl. Mt 13,53-57), diesmal aber waren die Menschen, wie der Evangelist betont, voll Staunen waren über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten (Mk 1,22). So erfüllte sich die Prophezeiung des Mose, die wir in der ersten Lesung hören: Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören (Dt 18,15).

Das Wort Jesu versetzte die Bewohner von Kafarnaum in Staunen, denn es unterschied sich radikal von den gängigen Lehren in der damaligen Zeit. Möglicherweise waren die Menschen gewöhnt, immer mehr oder weniger die gleichen Predigten zu hören, die mit ihren wirklichen Problemen und Anliegen oft wenig zu tun hatten. Zudem beobachteten sie Widersprüche zwischen dem, was manche Schriftgelehrte lehrten, und dem, was sie taten. Im Gegensatz dazu war die Botschaft des Herrn nicht nur neu, sondern entsprach auch der Sehnsucht nach Erlösung, die in den Herzen jener Israeliten wohnte, die für das Wirken Gottes in ihren Seelen offen waren. Außerdem konnten sie an Ort und Stelle sehen, dass dieser Meister seine Worte durch Taten bekräftigte, denn als ein von einem unreinen Geist besessener Mann auftauchte, befreite ihn Jesus davon (vgl. Mk 1,24-26).

Da erschraken alle und einer fragte den andern: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl (Mk 1,27). Jesus spricht nicht nur, er handelt auch. Er rettet uns durch sein Wort und sein Tun. Mittels seiner Kirche beweist er uns auch heute seine Nähe und seine Sorge um jeden von uns. „Christus vermittelt uns das ganze Licht, das die bisweilen finsteren Wege unseres Daseins erhellt“, sagte Papst Franziskus. „Er gibt uns auch die Kraft, die notwendig ist, um Schwierigkeiten, Prüfungen und Versuchungen zu überwinden. Denken wir daran, welch große Gnade es für uns ist, diesen so mächtigen und so guten Gott kennengelernt zu haben! Ein Meister und Freund, der uns den Weg aufzeigt und sich unser annimmt, besonders wenn wir in Not sind.“1


WÜRDET ihr doch heute auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht (Ps 95,7-8), ruft der Psalmist. Gott spricht tagtäglich zu uns. Wir sind uns jedoch dessen bewusst, dass es in uns einige Prinzipien gibt, die verhindern, dass sein Wort breitflächig Wurzeln schlägt, keimt und zur Frucht reift. Die erste Lesung bezieht sich auf ein solches Hindernis. Als Mose das Kommen eines Propheten ankündigte, auf den das Volk hören sollte, reagierten die Israeliten mit fast panischer Angst: Ich kann die donnernde Stimme des Herrn, meines Gottes, nicht noch einmal hören und dieses große Feuer nicht noch einmal sehen, ohne dass ich sterbe (Dt 18,16).

Es ist normal, dass uns beim Hören der Lehren des Herrn ein gewisses Schwindelgefühl überkommt. Einerseits sehen wir die Schönheit eines „Sprungs“ hin zum Leben, das er uns vorschlägt, andererseits lässt uns unsere eigene Schwäche fürchten, dass wir diesen Sprung nicht schaffen. Doch wir wissen, dass Jesus uns vorausgesprungen ist und uns immer begleitet. Er ist der Prophet, von dem Mose sagte, er sei einer von uns, unser Bruder (vgl. Dt 18,15). Und es handelt sich dabei nicht um jemanden, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern um einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat. Lasst uns also voll Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit! (Hebr 4,15-16).

Der heilige Josefmaria sagte, dass dieser „Sprung“ eine Frage des Glaubens ist: im Vertrauen darauf, dass das Leben, das unser Herr uns anbietet, mit seinen Freuden und Leiden, gesegneter ist als das, was wir mit unseren Sicherheiten erreichen können. Er empfahl daher: „Nehmen wir ohne Angst den Willen Gottes an, formulieren wir ohne Zaudern den Vorsatz, unser ganzes Leben entsprechend der Lehre und den Forderungen unseres Glaubens aufzubauen. Mit Sicherheit werden wir auf Leid, Kampf und Schmerz stoßen, doch wenn wir wirklich glauben, werden wir uns nie unglücklich vorkommen: Auch im Schmerz, ja selbst in Verleumdungen, werden wir ein Glück empfinden, das uns dazu drängt, die anderen zu lieben, damit auch sie an unserer übernatürlichen Freude teilhaben.“2


DER HEILIGE PAULUS weist in der zweiten Lesung noch auf ein anderes Hindernis hin, das das Hören auf die Stimme Gottes erschweren kann: die Sorgen. Nachdem der Apostel die Korinther vor den Unruhen gewarnt hat, die sie herumtreiben können, schließt er: Dies sage ich zu eurem Nutzen: nicht um euch eine Fessel anzulegen, vielmehr, damit ihr euch in rechter Weise und ungestört immer an den Herrn haltet (1 Kor 7,35).

Die Anforderungen eines jeden Tages können unsere innere Welt aufwühlen und unsere Gedanken und Gefühle in Beschlag nehmen. Anstatt darauf zu achten, was Gott uns durch diese Ereignisse sagen möchte, legen wir vielleicht mehr Wert auf unsere eigene Art, mit ihnen umzugehen. Dabei könnten wir unser Gebet gerade mit diesen Anliegen nähren, sie Jesus erzählen, ihn um seine Gnade bitten und sie in seine Hände legen. Manchmal werden wir darin auch eine mögliche Sendung erkennen. Da viele dieser Ablenkungen mit den Menschen zu tun haben, die wir lieben, können sie sogar eine Gelegenheit darstellen, in unserem Gebet zu erkennen zu suchen, wie wir diesen unseren Lieben auf eine Weise dienen können, wie Jesus selbst es tun würde: So kann der Herr uns helfen, unsere Beziehung zu jeder uns nahestehenden Person zu stärken; so kann uns das, was vorher vielleicht hinderlich war, helfen, den Dialog mit Gott zu suchen und das Leben in einem noch christlicheren Sinn neu zu beginnen.

Andere Male wird es nötig sein, größere Anstrengungen zu unternehmen, um bestimmte Sorgen beiseitezulassen, weil sie nicht so relevant sind oder uns nur dazu bringen, immer wieder um dieselbe Sache zu kreisen. Dieser „Kampf“3, unsere Aufmerksamkeit auf das Gespräch mit Gott zu richten, wird uns helfen, ein losgelöstes Herz zu haben, das auf das aufmerksam ist, was Jesus uns sagen will. Papst Franziskus ermuntert uns zur Wachsamkeit: „In einem Augenblick, den wir nicht kennen, wird die Stimme unseres Herrn erklingen: Selig sind an jenem Tag jene Diener, die er tätig finden wird, noch immer auf das ausgerichtet, was wirklich zählt. Sie sind nicht der Zerstreuung erlegen, indem sie jedem Reiz gefolgt sind, der ihnen in den Sinn kam, sondern sie haben versucht, auf dem rechten Weg zu gehen, Gutes zu tun und ihre Aufgabe zu erfüllen.“4 Jesus hat uns seine Mutter als Vorbild für ein Herz aufgezeigt, das das Wort des Herrn ohne Furcht aufnimmt und es in sich widerhallen lässt. Wir wenden uns an ihre Fürsprache, damit sie uns lehre, Seelen des Gebets zu sein.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 28.1.2018.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 97.

3 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2729.

4 Franziskus, Audienz, 19.5.2021.