Zur Passion Jesu

Eine Betrachtung von Klaus Klein-Schmeink

Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch. So hat Jesus im Abendmahlsaal über Brot und Wein gesprochen. Auf Golgotha am Kreuz gibt er wirklich seinen Leib und sein Blut hin. Hingegeben, ja geschlachtet als Opfer hängt er am Kreuz vor den Toren Jerusalems, während im Tempel die Lämmer für das Paschafest geschlachtet werden. Jesus gibt seinen Leib, sein Fleisch wirklich hin. Sein Blut lässt er wirklich vergießen. Was er im Abendmahlsaal ankündigte, erfüllt sich auf dem Kalvarienberg. Die Eucharistie ist Opfer, sie ist unblutige Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers am Kreuz. Durch seine Wunden sind wir geheilt. 

Uns Menschen heute ist es irgendwie unangenehm und unverständlich geworden, vom Opfer zu sprechen, das erlöst. Die brutale Tat am Kreuz ist uns irgendwie zuwider, sie erscheint zu sperrig. Hätte der Herr nicht eine andere Möglichkeit gehabt seine Liebe zu uns zu zeigen und die Erlösung zu bewirken? So fragen viele Menschen. Aber gerade im Opfer wird die Liebe deutlich, im Sich-Hingeben mit Leib und Blut. 

Ganz normale Opfer 

Schauen wir auf unseren Alltag: Verliebte nehmen alle möglichen Opfer auf sich, um einander zu sehen, zu begegnen, zu beschenken, weite Reisen zum Beispiel und kostspielige Geschenke. Eltern opfern für ihre Kinder Zeit, Geld, Bequemlichkeit, Schlaf. Menschen, die sich einer guten Sache verschrieben haben, opfern auch Vieles für eben diese Sache. Jesus opfert sich für uns – sich selbst ganz und gar, mit Leib und Blut. Seine Liebe zu uns kennt keine Grenzen. Bei uns Menschen kommt die Opferbereitschaft oft genug an die Schmerzgrenze, an einen Punkt, wo unsere Liebe nicht mehr ausreicht. 

Mancherorts sind die Kruzifixe in diesen Tagen nach altem Brauch verhüllt. Von jedem Kruzifix herab sagt uns Jesus: „Egal, was passiert: Ich liebe Dich, ich gebe alles für Dich, ich habe schon alles gegeben für Dich: Meinen Leib und mein Blut. Meine ausgestreckten Arme zeigen Dir, dass Du mir bedingungslos kostbar und willkommen bist: Komm, lass Dich erlösen!“ 

Die Rede vom Opfer 

In früheren Zeiten – möglicherweise, weil die körperlichen Opfer größer, sichtbarer, selbstverständlicher waren, als in unserer Gesellschaft, die Leiden und Leidende am liebsten abschiebt – in früheren Zeiten haben die Christen unbefangener, plastischer, ja poetischer über die Erlösung durch das Opfer Christi am Kreuz gesprochen. So zum Beispiel eine Arie der Johannespassion von Johann Sebastian Bach. Sie vergleicht den von der Geißelung blutigen Rücken Jesu mit dem Himmel, an dem der Regenbogen des Bundes nach der Sintflut erschien. Der Tenor singt: 

Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken In allen Stücken Dem Himmel gleiche geht, Daran, nachdem die Wasserwogen Von unsrer Sündflut sich verzogen, Der allerschönste Regenbogen Als Gottes Gnadenzeichen steht

Uns ist die Sprache des Barock fremd geworden. Sie gehört aber zum Schatz der Christenheit, der Frömmigkeit. 

Das ist mein Leib, das ist mein Blut für euch. Zur christlichen Frömmigkeit wie zum christlichen Glauben gehört das Opfer, sofern es aus Liebe getan ist. Darauf geht Papst Benedikt in seiner Enzyklika „Spe salvi“ ein: 

Seine Mühen „aufopfern“ 

„ Zu einer heute vielleicht weniger praktizierten, aber vor nicht allzu langer Zeit noch sehr verbreiteten Weise der Frömmigkeit gehörte der Gedanke, man könne die kleinen Mühen des Alltags, die uns immer wieder einmal wie mehr oder weniger empfindliche Nadelstiche treffen, »aufopfern« und ihnen dadurch Sinn verleihen. In dieser Frömmigkeit gab es gewiß Übertriebenes und auch Ungesundes, aber es ist zu fragen, ob da nicht doch irgendwie etwas Wesentliches und Helfendes enthalten war. Was kann das heißen: »aufopfern«? Diese Menschen waren überzeugt, daß sie ihre kleinen Mühen in das große Mitleiden Christi hineinlegen konnten, so daß sie irgendwie zu dem Schatz des Mitleids gehörten, dessen die Menschheit bedarf. So könnten auch die kleinen Verdrießlichkeiten des Alltags Sinn gewinnen und zum Haushalt des Guten, der Liebe in der Menschheit beitragen. Vielleicht sollten wir doch fragen, ob solches nicht auch für uns wieder zu einer sinnvollen Möglichkeit werden kann.“ (Nr. 40) 

Mit einem Lächeln 

Vielleicht kann uns diese Anregung der Heiligen Vaters in der kommenden Zeit begleiten: Da, wo mir etwas Unangenehmes widerfährt, wo ich auf Leid und Widerwärtigkeiten stoße, will ich mich mit Jesus verbinden. Er hat mit seinem Kreuz auch alle unsere Kreuze getragen, er hat gelitten für uns. Daran hat er immer gedacht, das war sein grundlegendes Motiv, dazu war er auf die Welt gekommen. Wenn uns ein Leid aufgelegt ist, ein Kreuz widerfährt, könnten wir versuchen, es gut zu tragen – still, mit einem Lächeln vielleicht, nicht griesgrämig. Und so können wir es in ein Gebet verwandeln für bestimmte Menschen, für bestimmte Anliegen, als Zeichen für unseren guten Willen. „Herr, ich weiß nicht, warum mir dies jetzt so widerfährt, aber ich will es annehmen für diesen Menschen, ich will es annehmen als Sühne für meine Sünden, so wie Du das Kreuz für uns angenommen hast und für uns zur Sünde geworden bist.“ So verwandeln wir unangenehme Dinge, Schmerzen und Nöte in Liebe. Dieser Weg mag uns vielleicht etwas fremd erscheinen. Aber es ist ein Weg vieler Heiliger. Es ist ja der Weg Jesu.