Zu Christi Himmelfahrt: „Der Sohn Gottes lässt uns niemals allein“

Eine Betrachtung von Andreas Kuhlmann

Bei den Begegnungen des Auferstandenen mit seinen Jüngern hat Jesus Christus ihnen häufig seinen Frieden zugesprochen. Seine Gegenwart als Mensch in verklärter Gestalt muss eine friedensstiftende, frohmachende und beruhigende Wirkung auf sie gehabt haben. Ähnlich wie schon bei seiner Verklärung auf dem Berg Tabor in Galiläa, als die Jünger die Herrlichkeit Gottes erstmals schauen durften, werden sie im Herzen erneut ein Bedürfnis gespürt haben, das Petrus damals so ausdrückte: „Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen…“ (Mt 17,4). Es ist gut, dass Du bei uns bist.

Jesus fährt in den Himmel auf zum göttlichen Vater. Das Hochfest der Kirche markiert ein einschneidendes Ereignis im Leben seiner Anhänger. Der heilige Josefmaria schreibt: „Es ist wahrhaftig nicht leicht, sich an die leibliche Abwesenheit Jesu zu gewöhnen. Mich bewegt der Gedanke, dass Er, in einer Großtat der Liebe, gegangen und doch geblieben ist: Er ist in den Himmel aufgefahren, und Er schenkt sich uns als Nahrung in der heiligen Hostie. Aber wir vermissen sein menschliches Wort, seine Art zu handeln, zu blicken, zu lächeln und Gutes zu tun. Gern würden wir Ihn noch einmal ganz aus der Nähe betrachten.“ (Josemaría Escrivá, Christus begegnen, Nr. 117).

Dass sich Freunde vermissen, die getrennt wurden, ist menschlich und konnte bei den Jüngern nicht anders sein. Jesus hatte ihnen ja aufgetragen: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (vgl. Joh 15,12; Evangelium am 6. Sonntag der Osterzeit). Ganz natürlich galt ihre Liebe zunächst Jesus Christus selbst, ihrem gemeinsamen und besten Freund. So wird ihnen sein Verschwinden zunächst unbegreiflich gewesen sein. Wie konnte er seine Lieben allein lassen? Für uns Menschen aller Zeiten ist die offensichtliche Abwesenheit Gottes ein rätselhaftes Geheimnis, das zweifeln macht. Aber nur scheinbar lässt der Sohn Gottes seine Jünger allein. In Wirklichkeit bleibt er ihnen auf geheimnisvolle Weise ganz nahe. Die Abwesenheit Gottes stellt sich als unsichtbare Anwesenheit heraus.

Das geben uns die Lesungen der Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten zu verstehen. Zum Beispiel erinnert uns die Apostelgeschichte an die Verheißung Jesu: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein…“ (Apg 1,8). Jesus hat ihnen zwar vor seinem Abschied einen Sendungsauftrag erteilt, aber zugleich seinen Beistand versprochen. Die Gnade des Heiligen Geistes und seine geheimnisvolle Anwesenheit in der Eucharistie befähigen die Jünger, ihm zu glauben und ihre Mission zu erfüllen, die uns die Evangelien zu Christi Himmelfahrt vor Augen führen: „Geht hinaus in die ganze Welt…“ (Mk 16,15). Und: „Der Herr aber stand ihnen bei…“ (Mk 16,20).

Vom Himmel aus steht der Geist Christi den Jüngern bei und lässt sie Zeichen wirken, die das Reich Gottes auf Erden fassbar machen. Was Jesus seinen Jüngern – uns allen in seiner Kirche – vor seinem Leiden verheißen hatte, hat er dann vor seiner Himmelfahrt verkündet und verwirklicht es am Pfingstfest. Er, die Liebe in Person, lässt die Geliebten niemals allein. Mehr noch: Christi Himmelfahrt ist Folge und Ausdruck seiner unermesslichen Liebe: „Diese Verheißung Jesu beim Letzten Abendmahl ist die beste Einstimmung auf den Tag der Himmelfahrt. Christus wusste, dass Er gehen musste; denn nach der Himmelfahrt sollte auf eine geheimnisvolle Weise, die wir nie ganz ergründen werden, in einem erneuten Ausströmen göttlicher Liebe die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit kommen: ‚Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich hingehe; denn wenn ich nicht hingehe, kommt der Beistand nicht zu euch; wenn ich aber hingehe, werde ich Ihn euch senden (Joh 16,7).‘ “ (Escrivá, Christus begegnen, Nr. 118)

So kann die Kirche an diesem Hochfest in Anlehnung an die Worte des Apostels Petrus sagen: Herr, es ist gut, dass Du gegangen und zum Vater heimgekehrt bist! Denn so bist Du uns immer und überall ganz nahe!