Was uns der heilige Josef über die Life-Work-Balance mitteilen könnte

Überlegungen von Andreas Kuhlmann anlässlich des 19. März, dem Fest des Bräutigams der Gottesmutter Maria.

Gott sei Dank sind hierzulande die Zeiten vorbei, als Erwachsene und sogar Kinder ihre Lebenszeit fast ausschließlich mit Arbeiten, Essen und Schlafen verbrachten, weil Erholung und Freizeit im Leben der Menschen kein Platz zugestanden wurde. Inzwischen können die meisten jeden Tag mehrere Stunden für ihre persönlichen Angelegenheiten nutzen und mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren. Immer mehr wird auf die rechte Life-Work-Balance geachtet, und immer weniger Arbeitnehmer sind bereit, sich auf Kosten ihrer sozialen Beziehungen und ihrer Gesundheit in den Mühlen des Arbeitsalltags aufreiben zu lassen. Daran haben die Gewerkschafter und die Soziallehrer der Kirche seit dem 19. Jahrhundert maßgeblichen Anteil.

Für eine gute Life-Work-Balance steht besonders ein Heiliger: Josef. In der Katholischen Kirche wird er als Familienvater am 19. März und als „der Arbeiter“ am 1. Mai gefeiert, dem „Tag der Arbeit“. Johannes Paul II. erklärte den Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe der Stadt Rom: „Für zwei Bereiche im menschlichen Leben beruft sich die Kirche gern auf das Zeugnis des hl. Josef: Für die Familie und für die Arbeit. Zwei außerordentlich umfassende und grundlegende Gebiete für die ganze menschliche Existenz!“ (Ansprache 19.3.1988)

Familie und Beruf in das richtige Gleichgewicht bringen und dabei den Willen Gottes erfüllen – das verlangte Josef einiges an Opfer und innerem Ringen ab. Als Zimmermann und als Ehemann Mariens und „Stiefvater“ von Gottes Sohne Jesus Christus könnte er diesbezüglich ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Zwar sagt er in den vier Evangelien kein einziges Wort, doch seine Taten sprechen Bände. Sie zeigen deutlich, dass er zuallererst ein verlässlicher Ehemann und Familienvater war. Stets war er zur Stelle, wenn er gebraucht wurde. Seine Berufstätigkeit stand ganz im Dienst an seiner Familie, schon um den nötigen Unterhalt zu gewährleisten. Er arbeitete, so gut er konnte, wohlmöglich machte er auch Überstunden und war – so vermuten manche Experten – sogar für Wochen „auf Montage“, also von seiner Familie getrennt.

Hier sind wir allerdings im Bereich der Spekulation. Was wir aber sicher wissen sind folgende Entscheidungen und Taten, die zeigen, dass für ihn das Wohl seines anvertrauten Sohnes und seiner geliebten Frau Maria immer an erster Stelle stand. Es fängt an mit seinem Ringen um seine Beziehung zu seiner Frau, als sie auf geheimnisvolle Weise schwanger geworden war. Sollte er sie verlassen, die er so sehr liebte, weil es Sitte und Brauch nahelegten?

Dann die belastenden Umstände der Geburt von Jesu in Bethlehem, die Maria und Josef viel abverlangte. Genauso wie die Flucht nach Ägypten, die Josef nötigte, sich in einer fremden Gesellschaft Arbeit zu suchen. Auch bei der riskanten Rückkehr in die Heimat hat sich Josef bewährt. Dazu ein Gedanke des heiligen. Josefmaria: „Josef war wirklich ein gewöhnlicher Mensch, auf den Gott vertraut hat, um in aller Stille Großes zu wirken. Er verstand es, sich in jeder Situation seines Lebens so zu verhalten, wie Gott es erwartete. Deshalb preist die Heilige Schrift Josef als einen Gerechten (Vgl. Mt 1,19). Und im hebräischen Sprachgebrauch bedeutet ‚gerecht‘ so viel wie fromm, untadelhafter Diener Gottes, Erfüller des göttlichen Willens (Vgl. Gen 7,1; 18,23-32; Ez 18, 5 ff; Spr 12,10), oder auch gut und hilfsbereit gegenüber dem Nächsten (Vgl. Tob 7,5; 9, 9). Mit einem Wort: gerecht ist jener, der Gott liebt und diese Liebe auch zeigt, indem er die Gebote erfüllt und sein ganzes Leben in den Dienst an den Mitmenschen, seinen Brüdern, stellt.“ (Christus begegnen, Nr. 40)

Im Ringen um das rechte Verhältnis von beruflicher Tätigkeit und privaten Verpflichtungen stellt sich für einen Christen die Herausforderung immer wieder neu, zwei abträgliche Extreme zu vermeiden: In der Arbeit „aufzugehen“ – die man im besten Fall mit Kompetenz und Begeisterung verrichten mag – und dabei alles andere zu vergessen oder die Arbeit als bloßen Job zu begreifen, dem man aber weiter nichts abgewinnen kann. Beide Fehlhaltungen – die übrigens der christlichen Heiligkeit entgegenstehen – können vermieden werden, wenn man sich die Überzeugung des heiligen Josefmaria zu eigen macht: „Aber diese Tauglichkeit und diese berufliche Kompetenz in der eigenen Arbeit müssen ihrerseits vom Geist des Dienens getragen sein, von dem Wunsch, durch die eigene Arbeit zum Wohl der anderen Menschen beizutragen. Dies ist ein wesentlicher Zug in der Arbeit des heiligen Josef, und er sollte ebenso wesentlich in der Arbeit jedes Christen sein. Der heilige Josef war in seiner Arbeit nicht auf Selbstbestätigung aus, obwohl sein arbeitsreiches Leben aus ihm eine reife, profilierte Persönlichkeit gemacht hat. Josef arbeitete vielmehr im Bewusstsein, dass er den Willen Gottes erfüllte, und er hatte das Wohl der ihm Anvertrauten – Jesus und Maria – und aller Bewohner des kleinen Nazareth vor Augen.“ (Christus begegnen, Nr. 51).

So kann man den heiligen Josef als Ratgeber und Fürsprecher für eine gelungene Life-Work-Balance im eigenen Leben sehen, denn er verstand es, seine Arbeit in den Dienst Gottes bzw. seine Familie zu stellen, in der Gott in Jesus Christus im Mittelpunkt stand. Daraus erwächst immer ein positiver Beitrag für die Gesellschaft und für das persönliche Glück, das für viele Zeitgenossen die eigentliche Motivation für ihre Life-Work-Balance ist. Ein edles Ansinnen, dem der Christ die Liebe zu Gott voranstellt, die ihn erst zum vollkommenen Glück führen wird.