Die Theologie des Leibes ist eine Brücke zum Evangelium

Auf den Spuren des hl. Johannes Paul II. stellt Achim Neuhaus mit einer neuen Initiative zwei Wege zum Glück einander gegenüber: Die gängigen Vorstellungen und den Plan Gottes für jeden einzelnen Menschen.

Der spätere Papst Johannes Paul II. als Kaplan mit jungen Leuten

Anfang 2017 hat der Prälat des Opus Dei in einem Hirtenbrief dazu aufgerufen, Jugendlichen und ihren Eltern zu helfen „die Anziehungskraft einer Ganzhingabe an Gott mit ungeteiltem Herzen zu entdecken und wertzuschätzen“ (Nr. 25). Es ist ja bekannt, dass es vielen Menschen, besonders Jugendlichen schwerfällt, einen Bezug zwischen Evangelium und eigenem Leben zu erkennen.

Daher habe ich zusammen mit anderen eine neue Initiative gestartet. Sie soll dazu verhelfen, den Glauben so zu vermitteln, dass er das Herz erreicht, es verändert und dauerhaft liebesfähig macht. Die Verkündigung des heiligen Johannes Paul II. über die „Theologie des Leibes“ schien mir dafür geeignet zu sein, denn schon als Studentenpfarrer hatte sich der spätere Papst gefragt, wie man den Menschen unserer Tage das Evangelium wieder so vermitteln kann, dass sie seine Relevanz für das eigene Leben entdecken können. Die Theologie des Leibes ist eine Brücke, über die man leicht zum Evangelium gelangen kann.

Ich selbst konnte mich davon überzeugen, dass diese Brücke tatsächlich trägt. Aufgewachsen in einer bürgerlichen katholischen Familie hatte der Glaube mit zunehmendem Erwachsenwerden auch für mich seine Bedeutung für das tägliche Leben verloren, bis er sich irgendwann auf durchschnittlich eine Messe im Monat reduzierte. Auch sonst hatte Gott für mich als Unternehmer keine wirkliche Bedeutung, weil er mir unbekannt blieb und ich die Sprache der Kirchenleute nicht verstand.

Bei den Workshops wird die Botschaft des Evangeliums in die Lebenswirklichkeit der Teilnehmer übersetzt

Dies änderte sich schlagartig, als ich – bereits Mitte 30 – die Bekanntschaft mit der Theologie des Leibes machte. Hier wurde mir erstmals in verständlicher und konkreter Weise der gesamte Heilsplan Gottes vorgestellt, und zwar so verständlich, dass es alles änderte. Am Ende dieser Wandlung eines lauen Karteikarten-Katholiken in jemanden, der die Nachfolge Christi ernst nehmen möchte, stand mein Ja zum Ruf, Gott im Opus Dei als zölibatär lebendes assoziiertes Mitglied zu dienen.

Ein Anpack für den Glauben im Alltag

Doch nun zu den Tagungen, in denen ich die Theologie des Leibes darstelle. Damit möchte ich den Teilnehmern einen Anpack geben, wie sie ihren Glauben in ihrem Alltag konkret leben können. Nach zwei Jahren kann ich sagen, dass vielen Teilnehmern dasselbe wie mir damals passiert ist. Oft ahnen sie zum ersten Mal den tiefen spirituellen Sinn ihres Lebens und sind begeistert. Eine Zwanzigjährige sagte: „Ich habe zum ersten Mal den Sinn von Eucharistie und Beichte verstanden.“ Sie verstehen, dass ein Leben mit Gott tatsächlich das Glück hier auf der Erde bedeutet. Das verändert ihr Leben. Zunächst beginnen sie, die große und positive Dimension der christlichen Botschaft zu verstehen. Daraus erwächst spontan der Wunsch, andere auf diesen Weg hinzuweisen.

Ursprünglich war meine Initiative nur auf Jugendliche ausgerichtet. Sehr bald zeigte sich aber, dass sich Menschen aller Generationen von den Inhalten angesprochen fühlen. Das Spektrum reicht von Firmgruppen in Pfarreien über Gruppen von Studenten oder älteren Schülern mit oder ohne kirchliche Anbindung und Ehevorbereitungskursen bis hin zu Workshops mit Berufstätigen, unabhängig ob verheiratet oder unverheiratet. Unter den Teilnehmern finden sich außer Katholiken auch Angehörige anderer Konfessionen und Agnostiker. Denn wie man glücklich werden kann und was das mit Liebe zu tun hat, ist eine Botschaft für alle Menschen.

Grundlage der Workshops an Wochenenden bildet die von Christopher West erarbeitete Zusammenfassung der Theologie des Leibes. Ihm kommt das große Verdienst zu, als Erster mit unermüdlichem Einsatz diese Verkündigung des hl. Johannes Paul II. auf allen Kontinenten verbreitet zu haben. Die Wochenenden haben allerdings nicht das Ziel, die Teilnehmer mit allen Aspekten der Theologie des Leibes bekannt zu machen. Vielmehr wird ihnen in einem ersten Teil schrittweise dazu verholfen, den Sinn zu entdecken, den Gott dem Leben jedes Menschen gegeben hat. Die Theologie des Leibes baut eben eine Brücke, die jeder unabhängig von seiner Bildung überqueren kann. Moderne Stilmittel der Didaktik sind dabei eine Art Wegweiser, zum Beispiel Storytelling aus meinem Leben oder dem anderer Menschen. Außerdem ziehe ich bekannte Hollywood Blockbuster heran. So kann es gelingen, die Botschaft des Evangeliums aus einer oft abstrakten theologischen Sprache herauszuholen und in die verständliche Lebenswirklichkeit der Teilnehmer zu übersetzen.

Eine Grundlage für Gespräche geistlicher Begleitung

Im zweiten Teil des Workshops geht es darum, zu einer neuen, persönlichen und ganz konkreten Lebensentscheidung hinzuführen. Dazu wird erarbeitet, wie man in allen Bereichen des Alltags lernen kann, so zu lieben wie Gott liebt. Denn das war von Anfang an Gottes Plan, dass wir lieben sollen wie er. Nur wissen wir Menschen nicht mehr, wie er liebt bzw. wie sich dies in unserem Alltag mit seinen unterschiedlichen Facetten widerspiegeln kann.

Zum alltäglichen Leben gehört auch die Sexualität. So lernt man nicht nur, den Sinn und die Attraktivität der Ehe tiefer zu begreifen, sondern vielleicht auch seine Berufung zur christlichen Ehelosigkeit, zum Zölibat, zu entdecken. Junge Teilnehmer lernen, wie sie sich in der Zwiesprache mit Gott ihrer persönlichen Berufung nähern können. Verheiratete lernen, dass sie in ihrer Ehe, in ihrer ehelichen Berufung immer noch weiter wachsen können. Das betrifft nicht zuletzt den Bereich der Sexualität als einer der wesentlichen Sprachen ehelicher Liebe.#

Die Tagungen finden von ganz Mitteleuropa bis ins Baltikum statt.

Zum Abschluss des Wochenendes schreibt jeder Teilnehmer für sich persönlich nieder, wie er sein Leben idealerweise führen möchte. Anschließend bricht er diese Überlegungen in einen Plan herunter, der aus konkreten einzelnen Schritten besteht, die in das tägliche Leben integriert werden können. Am Ende eines Workshops meinte ein Siebzehnjähriger: „Ich habe endlich einen Weg gefunden, wie ich mit meinem sexuellen Druck umgehen kann.“ Ein solcher Plan ist besonders wichtig, denn er kann und soll möglichst ein roter Faden für Gespräche geistlicher Begleitung mit einer bewährten Vertrauensperson sein, zum Beispiel einem festen Beichtvater. Im Alltag braucht man erfahrungsgemäß eine solche Unterstützung, um tatsächlich eine bleibende Veränderung seines Lebens zu erreichen.

Begonnen habe ich dieses Projekt vor zwei Jahren mit einem ersten Workshop-Wochenende im Tagungshaus Aufderhöhe in Solingen. Es war vom ersten Augenblick an so durchschlagend erfolgreich, dass ich mittlerweile in ganz Mitteleuropa von den Niederlanden bis ins Baltikum solche Workshops gehalten habe. Da das ursprünglich kleine Projekt sein erhebliches Potential zeigt, wie sich viele Tausende Menschen Gott nähern können, habe ich damit begonnen, ihm eine professionelle Form zu geben. Wir werden in der Zukunft in ganz Mitteleuropa Ausbildungstage für potentielle Referenten anbieten, Studienmaterial herausgeben und Sorge für die Veranstaltung der Workshops tragen. Ich vertraue dies alles der Fürsprache von Johannes Paul II. bei Gott an. Bei diesem großen Heiligen ist es in den besten Händen.