Prälat Ocariz: Guadalupe strebte großherzig nach Heiligkeit

Was heißt Heiligkeit heute, insbesondere für Laien? Was bedeutet eine Seligsprechung für die Kirche? Der Prälat des Opus Dei, Fernando Ocariz, spricht darüber in einem Interview aus Anlass der Seligsprechung von Guadalupe Ortiz de Landázuri am 18. Mai 2019 in Madrid.

Wer war die zukünftige selige Guadalupe Ortiz de Landázuri und wie war sie? Welche Züge würden Sie an ihr besonders hervorheben?

Guadalupe war eine der allerersten Frauen, die sich dem Opus Dei angeschlossen haben. Sie hatte einen starken Charakter, war aber zugleich liebenswürdig. Sie war auch irgendwie abenteuerlustig. Sie besaß die Fähigkeit, offenkundig schwierige Situationen gelassen und mit Freude in Angriff zu nehmen. Sie war ein optimistischer Mensch. Was ich an ihr aber besonders hervorheben würde, ist ihre geistliche Dimension: Sie hat großzügig geantwortet auf das, was sie als Willen Gottes erkannte – ihr Leben dafür einzusetzen, nach der Heiligkeit im Alltag zu streben, mitten unter den Menschen. Dort ist sie heilig geworden.

Worin besteht die Formel der Heiligkeit im Leben von Guadalupe? Aus welchen Elementen setzt sie sich zusammen?

Sie hat es verstanden, scheinbar Schwieriges miteinander in Einklang zu bringen: die berufliche Arbeit zu vereinbaren – sie war Chemikerin, hat sich der Lehre und dann der Forschung gewidmet – mit dem Einsatz für die Verwirklichung des Opus Dei, sogar in den Jahren, als sie in Mexiko war. Sie war eine der ersten Frauen, die mit der Arbeit des Werkes dort begannen. Und das war ein beachtliches Abenteuer. Sie verstand es, die Dinge miteinander zu verbinden und hat – dem Geist, den sie vom heiligen Josefmaria gelernt hatte entsprechend – Gott in der Arbeit gefunden, im Umgang mit den Menschen. Der heilige Josefmaria nannte das die „Einheit des Lebens“: Verschiedene Tätigkeiten, Bereiche, die scheinbar oder tatsächlich voneinander losgelöst sind, erreichen in einer Person eine tiefe Einheit, weil diese in allem Gott sucht. Und das schließt notwendigerweise den Dienst an den Mitmenschen, die Sorge für die anderen mitein. So wurde sie heilig. Heiligkeit besteht ja nicht darin, dass man am Ende des Lebens vollkommen ist als wäre man ein Engel. Nein, es geht darum, die Fülle der Liebe zu erlangen. Der heilige Josefmaria sagte immer wieder, dass es um den Kampf ginge, die Arbeit, das gewöhnliche Leben in eine Begegnung mit Jesus Christus zu verwandeln und in einen Dienst an den Mitmenschen.

Was bedeutet die Seligsprechung von Guadalupe für die Kirche und, konkreter noch, für das Opus Dei?

Für die Kirche bedeutet die Anerkennung, dass ein Mensch heilig ist – zuerst durch die Seligsprechung und in Zukunft, wenn Gott es will, auch durch die Heiligsprechung –, dass es sich hier um eine der unzähligen Gnaden Gottes handelt. An vielen, vielen Menschen erkennt die Kirche, dass der Ruf zur Heiligkeit, den Gott an alle richtet, nicht Utopie, sondern Realität ist. Es gibt unzählige Menschen, die heilig werden, auf ganz verschiedenen Wegen.

Im Fall des Opus Dei handelt es sich um die erste Seligsprechung eines Laiengläubigen, also kein Priester. Da sind ja einerseits schon der Gründer, der heilige Josefmaria, und andererseits sein Nachfolger, der selige Álvaro. Beide sind Priester. In der Kirche aber, und daher auch im Opus Dei, sind die Mehrheit Laien. So kommt zum Ausdruck, dass die Heiligkeit wirklich für alle ist; nicht nur für Personen, die eine Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben haben, sondern für jeden.

Und was würden Sie an der Tatsache besonders unterstreichen, dass ausgerechnet Guadalupe, mit ihrer Geschichte und ihrer Persönlichkeit, die erste Laienperson des Opus Dei ist, die zur Ehre der Altäre erhoben wird?

Ich finde schön, dass es sich um die erste Laienperson handelt und es zugleich die erste Frau ist. Frauen und Männer sind gleich, wenn es um die Berufung zur Heiligkeit, die Wirksamkeit im Dienst der Kirche, die Weitergabe des Evangeliums usw. geht, zugleich haben sie ihre je eigenen Besonderheiten und ihre Persönlichkeit, ihre je eigenen Sensibilität und ihren je eigenen Reichtum. Heiligkeit ist für jeden.