Prälat des Opus Dei: Mutter Teresa sah die ganze Welt als eine Familie

Die Heiligsprechung von Mutter Teresa durch Papst Franziskus ist in aller Welt auf ein positives Echo gestoßen. Bischof Echevarría, Prälat des Opus Dei, erinnert an frühere Begegnungen mit Ihr und den ihr verliehenen Friedensnobelpreis des Jahres 1979.

Der hl. Johannes Paul II. zusammen mit der neuen Heiligen und dem seligen Alvaro del Portillo, am 1. Juni 1985.

Die Heiligsprechung der seligen Teresa von Kalkutta ist ein Fest für die Kirche und für die ganze Menschheit. Seit ihrem Tod ist das starke geistliche Profil dieser außergewöhnlichen Frau immer klarer geworden – zum Wohl vieler Seelen.

Im Jahr 2003 lud der hl. Papst Johannes Paul II. uns alle ein, ihre Botschaft des Dienens und der Nächstenliebe zu betrachten. Es tut uns heute sehr gut, ihre Biografie, ihre Schriften und Gedankenkennenzulernen. Die Großzügigkeit und Echtheit von Mutter Teresa sind ein wahrer Ansporn, der hilft, für die anderen zu leben.

Im Laufe mehrerer Gelegenheiten, bei denen ich mit Mutter Teresa zusammentreffen durfte, merkte ich, dass sich ihr Körper mit zunehmendem Alter nach vorne beugte. Ihre besondere Berufung als Missionarin der Nächstenliebe und der Liebe Gottes führte sie ständig dazu, sich niederzubeugen, um sich eines verlassenen Menschen anzunehmen oder um Wunden an Leib und Seele zu heilen. Es war so, als sei diese geistliche „Verbeugung“ hin zu den Armen und Kranken auch an ihrem Leib sichtbar geworden.

Das Leben der Mutter Teresa zeugte von einer Einheit zwischen Beten und Handeln. Ihr Blick richtete sich ganz besonders auf verlassene Menschen. Sie erlangte in lang anhaltenden Zeiten des Gebets vor der Eucharistie diese Tiefe der Wahrnehmung. „Auf Jesus schauen und sich von Ihm angeschaut wissen“, wie der Gründer des Opus Dei sagte, „das ist eine Konstante im Leben der Heiligen.“ Ich bin Zeuge dafür geworden, da ich viele Jahre an der Seite von Josemaría Escrivá de Balaguer verbracht habe. Auch er war ein Heiliger des 20. Jahrhunderts, der als Weltpriester aus der Eucharistie Kraft und Energie für seinen Dienst an der Kirche und an allen Menschen, auch an den Ordensleuten, schöpfte.

Die Anbetung der Eucharistie führte Teresa von Kalkutta dazu, Christus in Armen, Kranken oderEinsamen zu erkennen; denn sie hatte jene Worte des Herrn tief verstanden: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. (Mt 25, 40). Hier liegt die Erklärung dafür, dass sie, während sie sich um die Bedürftigen kümmerte, ihnen gleichzeitig so viel menschliche Nähe schenkte und ebenfalls Mitleid mit den Waisen und Ungeborenen hatte. Unvergesslich war ihre Verteidigung des Lebens, die wir alle mitbekamen, als sie 1979 bei der Verleihung des Friedensnobelpreises vom Drama der Abtreibung sprach und anbot, Kinder aufzunehmen, die unerwünscht auf die Welt kommen.

Ihr zutiefst christlicher Weg ist ein leuchtendes Signal, der die Logik reinen Kalküls und egoistischer Interessen überwindet. Sie sah in der Menschheit eine Familie und in der Welt ein gemeinsames Haus, was jedem ehrlichen Menschen ein Anliegen sein sollte.

Auf seiner Pastoralreise nach Russland im Jahr 2014 begrüßt Bischof Echevarria zwei Missionarinnnen der Nächstenliebe

Nachdem sie den Friedensnobelpreis bekommen hatte, fragte jemand Mutter Teresa, was ein normaler Bürger denn für den Frieden in der Welt tun könne. Sie antwortete: „Geh´ nach Hause und liebe deine Familie!“ Die Herausforderung wird für viele Christen darin bestehen, den apostolischen Eifer der heiligen Teresa von Kalkutta da wirksam werden zu lassen, wo sich das normale Leben abspielt, sich hinabzubeugen, den anderen zu dienen und so das Evangelium und die Liebe Christi überall hinzubringen. Kurzgefasst, wie Papst Franziskus sich ausdrückt, Werkzeuge der Liebe Gottes für alle Geschöpfe dieser Erde zu sein (s. Laudato Sí , Nr. 246).

+Javier Echevarría

Prälat des Opus Dei