Ostern im Frühling - und Tag für Tag

Anregungen zum Hochfest Christi Auferstehung von Josef Arquer

Frühling und Ostern – wie selbstverständlich erscheint ihr Zusammenspiel, Jahr für Jahr! Beide verweisen auf Leben und Licht, aus verschiedenen Quellen und Wurzeln entspringend. Frühling gehört zum Kreislauf der Natur, Ostern gehört in eine Dimension, die auch Irdisches erfasst aber es transzendiert. Es ist Geheimnis: „Jesu Auferstehung war der Ausbruch in eine ganz neue Art des Lebens, in ein Leben, das nicht mehr dem Gesetz des Stirb und Werde unterworfen ist, sondern jenseits davon steht – ein Leben, das eine neue Dimension des Menschseins eröffnet hat.“ (Benedikt XVI, Jesus von Nazareth S. 268)

„Ist Christus nicht auferweckt worden , dann sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen (vgl. 1 Kor 15,14). Es ist die Atmosphäre am Abend des Freitags, noch in den Schatten des Samstags wirkend, bevor die Sonne aufgeht.

Trauernde Freunde Jesu

Die Evangelien lassen das Empfinden der trauernden Freunde des toten Jesus erahnen.

Drei Frauen gehen gleich bei Sonnenaufgang zum Grab, zwei Jünger lassen Jerusalem hinter sich, und die zum engeren Kreis Gehörenden sind nach ihrer Flucht wieder beisammen und stehen ratlos da.

Die drei Frauen drängt es, den durch den Sabbatbeginn erzwungenen eiligen Abschied durch eine würdige Geste zu feiern – des toten Meisters wegen und ihretwegen, denn sie spüren, dass die Liebe zu Jesus fortdauert, auch wenn er tot ist.

Die zwei Jünger drängt es, Jerusalem zu verlassen, weil sie dort das Scheitern ihrer Ideale erlebt haben. Jesu Nähe hatte ihre Hoffnungen auf einen kommenden Messias beflügelt: Jetzt kehren sie frustriert in ihr Dorf zurück, ohne Illusionen und in einer Art skeptischem Realismus. Die Erinnerung an die echte Leidenschaft jener unüberlegten Liebe beschämt sie vielleicht, und sie entfernen sich von der vertrauten Umgebung in der Hoffnung, diese Erinnerungen würden im Laufe der Zeit schwach werden, und dann nicht mehr stechen, sondern nur noch melancholisch nachwirken.

Über die kleine Gruppe verängstigter Getreuer können wir nichts sagen. Nach ihrer Flucht sind sie zurückgekehrt und bleiben hinter verschlossenen Türen, ratlos und ängstlich.

Der Herr ist auferstanden!

„Die Auferstehung Jesu war nicht eine Rückkehr in das irdische Leben, wie das bei den Auferweckungen der Fall war, die er vor Ostern gewirkt hatte (...) Die Auferstehung Christi ist wesentlich anders. Er geht in seinem auferweckten Leib aus dem Totsein in ein anderes Leben über, jenseits von Zeit und Raum.“ (Katechismus der Katholischen Kirche 646)

Da gelten die alten Pläne nicht mehr – nicht mehr den Toten einbalsamieren, nicht mehr nach Emmaus zurückkehren. Die Frauen sehen den Lebenden, den sie als Toten verehren wollten und empfangen von ihm den Auftrag, zu verkünden, dass er lebt. Eine von ihnen, Maria, noch in Trauer befangen, meinte in ihm den Gärtner zu sehen, bis er sie ansprach und der Klang der wohlvertrauten Stimme in ihr Herz drang. Die zwei Jünger entdeckten im unbekannten Wegbegleiter den auferstandenen Herrn: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24, 32). Sie kehren nach Jerusalem voller Freude zu den im Obergemach Eingeschlossenen zurück.

Der Bericht des Lukas (24, 36 ff.) lässt durchblicken, wie die Apostel am Ostertag ihre Ratlosigkeit und Niedergeschlagenheit überwanden. "Während sie darüber redeten..." heißt es. Sie werden über die Gerüchte geredet haben, dass er lebe: Die Frauen, dann die zwei Jünger... Sie versicherten, den Herrn gesehen zu haben. Eine neue, noch undeutliche Ahnung entstand: Er lebt also, es geht also doch weiter mit ihm. Aber wie? Anstelle der Niedergeschlagenheit, tritt Lähmung ein: die unklare Furcht vor einer unergründlichen Wirklichkeit. Vielleicht drängt sich auch die Frage auf: Wird er uns zur Rechenschaft ziehen, gar Vorwürfe machen? Da „trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen.“ (Lk 24,36-37). Und „Er zeigte ihnen seine Hände und Füße" - durchbohrt, aber weder schrecklich noch anklagend: Die Wunden sind Merkmale eines Triumphes.

Abschließend schenkt Christus ihnen ein neues Licht, eine neue Sehweise: Er "öffnete ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift". Natürlich geht es hier nicht um das gelehrte Verstehen, sondern um die tiefere Sicht der Zusammenhänge vom Glauben her. Alles, was Ärgernis war, wird zum Erweis einer Gewissheit. In theologischer Reflexion können wir sagen: Also ist der Mensch Jesus mit seinem Tod nicht vernichtet, die Menschwerdung des Sohnes Gottes nicht zurückgenommen - sie hat sich vielmehr voll entfaltet. Er ist unter uns, aber nicht als der Wiederkehrende zum alten Leben, sondern als jener, der ein neues Leben bringt. Papst Benedikt (Jesus von Nazareth II S. 267) nennt die Auferstehung den entscheidenden Punkt bei der Suche nach der Gestalt Jesu: „Ob Jesus nur war oder ob er auch ist – das hängt an der Auferstehung. Im Ja oder Nein dazu geht es nicht um ein einzelnes Ereignis neben anderen, sondern um die Gestalt Jesu als solche."

Österliche Alltagsspiritualität

Ostern besagt, dass Christen nicht der Lehre eines Toten folgen, sondern der Person eines Lebenden. Von daher stimmt es: Das Christentum ist keine Lehre. Aber auch hier geht es um die Ehrlichkeit, aus der persönlichen Beziehung mit Christus nicht ein bloßes subjektives Gefühl zu machen, sondern echte Spiritualität.

Christus, der in die Geschichte der Menschen eingehen wollte, verliert sich nicht in einer verschwommenen Vergangenheit, sondern will sich ganz konkret in das persönliche Schicksal jedes Einzelnen "einmischen". Notwendig ist aber, dass der Einzelne sich ihm durch eine spirituelle Haltung öffnet, die Menschwerdung, Tod und Auferstehung widerspiegelt.

Österliche Spiritualität heißt: Heute beim Beten Umgang mit einem Lebenden pflegen, im Alltag seine Nähe spüren, ihm hier und dort etwas sagen (Stoßgebete...). Es heißt vor allem ihm sakramental begegnen. Und es heißt auch aus der Hoffnung leben und sich die uns verheißene Fülle des Lebens in der neuen Dimension, die der Auferstandene eröffnet hat, vor Augen halten. Denn im auferstandene Herrn wird eine Gestalt der Leiblichkeit sichtbar, die ahnen lässt, was Vollendung des heute auf Erden lebenden Menschen bei Gott sein kann, wenn wir - nach Worten des Paulus - nicht mehr "nur rätselhafte Umrisse" und wie "in einen Spiegel" schauen (vgl 1 Kor 13,12).

„Die österliche Zeit ist eine Zeit der Freude, einer Freude, die sich nicht auf diesen Abschnitt des liturgischen Jahres beschränkt, sondern die in jedem Augenblick das Herz des Christen erfüllt. Denn Christus lebt, Christus ist nicht eine Gestalt, die vorübergegangen ist, die einmal lebte und dann verschwand und uns nur eine wunderbare Erinnerung und ein ergreifendes Beispiel hinterließ. Nein, Christus lebt. Jesus ist der Emmanuel: Gott mit uns. Seine Auferstehung bekundet uns, dass Gott die Seinen nicht im Stich lässt." (Christus begegnen 102)

Der Mitfeiernde bei der Osternacht erfährt dies, wenn das Licht der Osterkerze die Dunkelheit des heiligen Raumes immer mehr vertreibt und die Kerze nunmehr eine neue Bedeutung bekommt: Lumen Christi! Das Licht Christi!

Die Osternacht beginnt mit der Segnung des Feuers außerhalb der Kirche: „Entflamme in uns die Sehnsucht nach dir, dem unvergänglichen Licht." Die Osterkerze wird angezündet: „Lumen Christi! - Christus, das Licht!". Beim Einzug der Prozession erhellt sich nach und nach der Kirchenraum. Am Ende ist er lichtdurchflutet. Ostern ist ein unüberhörbarer Ruf zum „Selber-Leuchten". Manch einer in unserer Nähe kann auch durch uns den Ursprung dieses Lichtes näherkommen. Denn (mit einem Wort der Dichterin Ilse Aichinger): „Wir sind nicht gemeint, gemeint ist, was an uns Licht gibt."