König und Hirt: Gott ist in die Geschichte eingetreten

Zum Hochfest Christkönig eine Betrachtung von Josef Arquer

Leuchtender Sammelpunkt aller Lichtspuren

Das Hochfest Christkönig krönt das Ende des Kirchenjahres. Dieses Ende ist zugleich Voll-Endung, denn wir sind im Rhythmus der Liturgie durch das Leben Jesu gewandert und haben seine Stationen betrachtet – jede eine spirituelle Anregung auf unserem Weg: Eine Geste, ein Wort, ein Blick, eine Berührung... Wie schön ist es zu entdecken wie jede scheinbare Kleinigkeit im Leben Christi, wenn sie betend betrachtet wird, zur Leuchtspur für das eigene Leben werden kann! Selbst der Titel König, von dem wir Heutigen sonst allenfalls in trivialen Reportagen der Gelben Presse lesen. Dieser König aber ist zugleich Hirt, der gute Hirt: „Wenn wir, wie der Psalmist, hinter dem »guten Hirten« hergehen – so schwierig, unwegsam oder lang die Pfade unseres Lebens uns auch erscheinen mögen,

zuweilen auch in geistlichen Wüstenregionen ohne Wasser, unter der sengenden Sonne des Rationalismus –, geführt vom guten Hirten, Christus, so sind auch wir sicher, dass wir auf den »rechten« Wegen gehen und dass der Herr uns führt und immer bei uns ist und uns nichts fehlen wird." (Benedikt XVI., Generalaudienz, 5.10.2011)

Der Christkönigssonntag ist ein leuchtender Sammelpunkt all der Lichtspuren des Kirchenjahres. An diesem Tag betrachten wir nicht eine einzelne Begebenheit, sondern Jesu Dasein als Ganzes: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt." Die Fortsetzung dieses Worte im Johannes-Evangelium gilt auch für dieses Hochfest– wie für Epiphanie, Ostern oder Christi Himmelfahrt: „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1, 14).

So weisen die liturgischen Texte des Tages auf einen König hin, der wie David im alten Israel zugleich Hirt ist: „Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern. Wie ein Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die sich verirrt haben, so kümmere ich mich um meine Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben."(Ez 34,11-12)

Unter dem Zepter und dem Hirtenstab Christi sind wir unterwegs zu seinem Königreich, in dem wir unsere endgültige Voll-Endung finden. „Den Zeitpunkt der Vollendung der Erde und der Menschheit kennen wir nicht, und auch die Weise wissen wir nicht, wie das Universum umgestaltet werden soll. Es vergeht zwar die Gestalt dieser Welt, die durch die Sünde missgestaltet ist, aber wir werden belehrt, dass Gott eine neue Wohnstätte und eine neue Erde bereitet, auf der die Gerechtigkeit wohnt und deren Seligkeit alle Friedenssehnsüchte, die in den Herzen der Menschen emporsteigen, erfüllen und übertreffen wird" (II. Vatikanum, Konstitution Gaudium et Spes, Nr. 39,1).

Die Präfation der Messe zum Hochfest fasst es feierlich zusammen: „Wenn einst die ganze Schöpfung seiner Herrschaft unterworfen ist, wird er dir, seinem Vater, das ewige, alles umfassende Reich übergeben: das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens."

Gott ist in die Geschichte eingetreten

Als Papst Pius XI. im Jahre 1925 das Fest von Christus dem König einführte, wollte er den Völkern der Welt angesichts der gestürzten Throne in Europa das heilsgeschichtliche Königtum Christi vor Augen stellen, damit alle Menschen, besonders die Christen, auf der Ebene der zivilen Gesellschaft und der internationalen Beziehungen das Herrschen als Dienen verstehen. „Et Verbum caro factum est" – Und das Wort ist Fleisch geworden (Joh 1, 14): Gott ist in die Geschichte eingetreten, in die Geschichte jedes Einzelnen und in die Geschichte der Völker.

Paulus schreibt: „Wir wollen, dass er herrsche" (1Kor, 15,25). Der Christ weiß, dass sein Tun nicht bloß dem eigenen Erfolg und Gewinn gelten darf, sondern stets zugleich der Aufgabe verpflichtet ist, das Schöpfungswerk Gottes mitzugestalten und zu bewahren. Papst Franziskus mahnt: „Wir sind als Menschen nicht bloß Nutznießer, sondern Hüter der anderen Geschöpfe. Durch unsere Leiblichkeit hat Gott uns so eng mit der Welt, die uns umgibt, verbunden, dass die Desertifikation des Bodens so etwas wie eine Krankheit für jeden Einzelnen ist… Lassen wir nicht zu, dass an unserem Weg Zeichen der Zerstörung und des Todes zurückbleiben, die unserem Leben und dem der kommenden Generationen schaden." (Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium, Nr. 215)

Zugleich gehört zur Mitarbeit am Schöpfungswerk Gottes für den einzelnen Christen ganz unmittelbar jedes sinnvolle, menschenwürdige Wirken des Christen im Beruf, für seine Familie und die Gesellschaft. Das nennt der heilige Josefmaria den „Dreh- und Angelpunkt unserer Heiligkeit und das geeignete Mittel, damit wir Christus in uns tragen und allen Gutes tun". Und er präzisiert: „Die einen reduzieren die Religion auf einen Katalog von Verboten oder begnügen sich mit einem konturlosen Katholizismus. Die anderen wollen den Herrn mit dem Gesicht zur Wand stellen oder in eine Dunkelkammer der Seele verbannen ... Ihnen gegenüber müssen wir in Wort und Tat bekräftigen, dass wir Christus zum wirklichen König aller Menschenherzen machen wollen – die noch lauen der Seinen nicht ausgenommen!" (Josefmaria Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr. 608)