Im Licht und Feuer des Heiligen Geistes

Anregungen auf Pfingsten hin von Josef Arquer

"Es werde Licht“. Licht steht am Anfang der Schöpfung (Gen 1,3). Als ein Kirchenvater des Altertums schrieb, Gott habe die Welt im Frühling erschaffen, wollte er sicher weder eine theologische Einsicht noch eine physikalische Reflexion äußern, eher eine zarte Ahnung vom geheimnishaften Zusammenhang zwischen Mensch und Natur, wenn das Licht immer blendender, die Tage immer länger und die Wiesen immer grüner werden.

Auch viele, die im Menschen nur ein Stück Natur sehen, ahnen im Frühling ein Geheimnis. Ihr Hinweis auf eine irgendwie geartete Transzendenz – Natur oder Weltall – greift dennoch nicht: Zuviel Licht, zuviel Schönheit für ein abstraktes unpersönliches Prinzip.

Einer, der glaubt, sieht im Zusammenhang zwischen Pfingsten und der aufgewachten Natur auf dem Weg von der Blüte zur Obstreife mehr als eine poetische Ahnung. Schon für die Israeliten zur Zeit Jesu und der Apostel war Pfingsten ein Erntedankfest, das gleichzeitig an die Gesetzesübergabe auf dem Berg Sinai erinnerte.

Auch heute kann ein betender Mensch Frühling und Pfingsten als ineinander verwoben erfahren: als ein Aufsprießen von grünem Leben in der Natur und als eine Frucht des Lichtes jener neuen Schöpfung, die am Ostertag begann. Wie beim „Es werde Licht“ des Anfangs leuchtete am Ostertag der Engel am Grab „wie ein Blitz" (Mt 28,3) und waren die zwei Gestalten, die zu den Frauen sprachen, in "leuchtende Gewänder" (Lk 24,4) gekleidet.

Dieses österliche Licht erhellt in der Liturgie die vierzig Tage bis Christi Himmelfahrt und leuchtet dann weiter bis zum „fünfzigsten Tag“: pentekostē im Griechischen, Pfingsten für uns. Deshalb ist die Gewohnheit entstanden, gleichsam in der Tradition der Jünger ab dem Tag von Christi Himmelfahrt eine Pfingstnovene zum Heiligen Geist zu halten.

Wie werden die Jünger gebetet haben?

Die Jünger gingen nach der Himmelfahrt des Herrn „in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben" (Apg 1,13). Nach einer alten Tradition war es derselbe Raum, in welchem Jesus die Eucharistie eingesetzt und Worte des Abschieds gesprochen hatte.

Der Tisch, die Polster, die Fenster – jede Einzelheit des Raumes wird die Jünger an Gesten und Worte des Herrn erinnert haben. Aussagen, die damals geheimnisvoll geblieben waren, begannen im neuen Licht durchsichtig zu werden: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen ... Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll ... Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (vgl. Joh 14,16; 18;26).

Liebe und Licht erreichten die Jünger im Zeichen von Wind und Feuer: Es sind die Zeichen, die im Alten Bund die Gegenwart Gottes zu begleiten pflegen: Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apg 2, 2-4)

Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte, so rührt er jetzt die Jünger des Herrn an. Das hebräische Wort für Wind – ruah – kann zugleich Atem und Geist bedeuten. Das göttliche Wirken kann sanft oder stark, leise oder heftig sein, aber immer schöpferisch. Der Sturmwind des Pfingsttages bewirkt, dass die Kirche nicht bloß strukturelles Gerippe ist, sondern lebendiger Organismus. Er drückt auch die Kraft aus, mit der Gott in die Seelen eindringt. Dies war die Erfahrung jener, die zusammenliefen, um zu sehen, was da geschehen war. Als sie das Wort des Petrus hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? (Apg 2,37)

Wie beten wir heute?

Der Heilige Geist erleuchtete damals den Verstand der Jünger, stärkte ihren Willen und eröffnete ihnen den Weg zum Gebet wie bei Jesus: „Abba, Vater". Die Liturgie hilft uns heute, mit solch inniger Sehnsucht zu beten.

Wir wenden uns an den Heiligen Geist als Creator Spiritus, als Schöpfer Geist, der fons vivus, ignis, caritas ist: Lebensquell, Feuer und Liebe.... Wir bitten ihn, Licht soll unsere Sinnen nicht nur erleuchten, auch anzünden: – Accende lumen sensibus. Zünde an ein Licht in unseren Sinnen. Warum die Sinnen? Wir bitten den Geist, er möge sie hell und durchblickend machen, so dass wir aggressiv sich aufdrängendes Grobes zu entlarven und dann zu verbrennen vermögen. Dazu sagt Papst Benedikt, dass „die Flamme des Heiligen Geistes brennt, aber nicht verbrennt. Und dennoch bewirkt sie eine Verwandlung, und deshalb muss sie etwas im Menschen verzehren, die Schlacken, die ihn verderben und in seinen Beziehungen zu Gott und dem Nächsten beeinträchtigen.“ (Homilie Ostervigil 2010)

Dann schaffen wir mehr Raum für all das Schöne, das auch durch die Sinne eindringt und Gottes Schönheit erahnen lässt: eine Landschaft, ein schönes Gesicht, eine grüne Wiese, ein Kunstwerk, ein Händedruck.... Und wir bleiben nicht bei der herrlichen Verzückung des sinnenhaft Schönen stehen, sondern richten unsere Aufmerksamkeit nach oben – nicht als angestrengte Pflichtübung sondern dankbar. Wir empfinden dann wie damals der Herr (vgl. Mt 6,25 ff.), als er auf „ die Blumen des Feldes“ und „die Vögel des Himmels“ verwies und nicht beim ästhetischen Gefühl blieb, sondern nach oben wies: „Euer himmlischer Vater...“.

Heute ebenso: wir lernen „Abba, Vater" zu rufen nicht nur in innerer betenden Einkehr, sondern auch wenn wir uns mit den Sinnen nach außen wenden. Und wir schreiten dann vom Schauen schöner irdischer Dingen zum Staunen und Frohlocken über die Werke Gottes.

Mit derart feinfühlig wachen Sinnen ist es leichter tiefer ins eigene Innere zu schauen und einen weiteren Schritt im Gebet zum Heiligen Geist zu gehen: infunde amorem cordibus,gieße in unsere Herzen Liebe ein. Und da eröffnet sich uns das eigentliche Geheimnis des Menschen: das Geheimnis der Gotteskindschaft.

Da öffnen wir uns dem Geist, denn er „will mit seinen Eingebungen unseren Gedanken, Werken und Wünschen einen übernatürlichen Ton verleihen. Er treibt uns dazu an, die Lehre Christi zu bejahen und uns zutiefst anzueignen, Er erleuchtet uns, damit wir uns unserer persönlichen Berufung bewusst werden, und stärkt uns, damit wir tun, was Gott von uns erwartet.“ (hl. Josefmaria, Christus Begegnen 135)

Papst Johannes Paul II. betrachtete in seinem letzten Apostolische Schreiben (Mane nobiscum Domine Nr 14), wie die zwei zuerst verblendeten Emmaus-Jünger sich zum Licht und Feuer öffneten, die vom Auferstandenen kamen: „Da gingen ihnen die Augen auf (...) und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete? Lk 25,31-32) Gleichsam als Vermächtnis an uns, unterwegs zum liturgischen Pfingstfest, regt der selige Johannes Paul an: „Wenn einmal der Verstand erleuchtet und das Herz erwärmt ist, dann ‚sprechen’ die Zeichen".