Gottes Geist im Frühling

Eine Annäherung an das Pfingstgeschehen

Es war Frühling, als Gott die Welt erschuf - so heißt es bei einem Kirchenvater des Altertums. Dahinter mag kaum theologische Reflexion über die Schöpfung stehen, wohl aber eine zarte Ahnung vom Geheimnis um Mensch und Natur und von deren Zusammenhang.

Auch jene, die im Menschen nur ein Stück Natur sehen, werden im Frühling vom "Problem" eingeholt, wenn das Licht immer blendender wird und schon eine schlichte Wiese zur ästhetischen Ekstase einlädt. Der Versuch, sich durch ein verschwommenes „Bekenntnis" zu einer unpersönlichen Transzendenz - Natur oder Weltall - zu retten, greift nicht: Zuviel Licht, zuviel Schönheit. Viele suchen dann das Geheimnisvolle unter dem eigenen Erdreich des dunklen Unterbewussten. Und sie ernten esoterische Illusionen oder wüste Ängste.

Wer glaubt, kann Frühling und Pfingsten als ineinander verwoben erfahren: als ein Aufsprießen von neuem Leben. „Veni Creator Spiritus – Komm, Schöpfer Geist“... Der Heilige Geist - Gott und Liebesband innerhalb der Dreifaltigkeit - wirkt „nach außen“ – ad extra, sagen die Theologen - und schafft Leben - eine "neue Schöpfung". Er erleuchtet den Verstand, stärkt den Willen und eröffnet die endgültige Perspektive, indem er uns sagen läßt: "Abba, Vater" .

Pfingsten gehörte mit Pascha und dem Laubhüttenfest zu den sogenannten Pilgerfesten der Israeliten. Es war Erntedankfest und auch Erinnerung an die Gesetzesübergabe auf dem Berg Sinai. Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes erfuhr der Dank für die Gottesgaben des Bundes und der Ernte ihre Vollendung. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Es sind die Zeichen, die im Alten Bund die Gegenwart Gottes zu begleiten pflegen: Wind und Feuer.

Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte, so rührt er jetzt - viel intensiver und dichter und näher - den Menschen an. Das hebräische Wort für Wind - ruah - kann zugleich Atem und Geist bedeuten. Das göttliche Wirken kann sanft oder stark, leise oder heftig sein, aber immer schöpferisch. Der Sturmwind des Pfingsttages bewirkt, dass die Kirche nicht bloß Institution ist, sondern lebendiger Organismus. Er drückt auch die Kraft aus, mit der Gott in die Seelen eindringt. Dies war die Erfahrung jener, die zusammenliefen, um zu sehen, was da geschehen war. Die Predigt des Petrus traf sie ins Herz. Die Folge war, dass sie sich fragten, „Was sollen wir tun?“.

Der hl. Josefmaria Escrivá weist besonders auf die Grundhaltung der Fügsamkeit hin: „... denn der Heilige Geist will mit seinen Eingebungen unseren Gedanken, Werken und Wünschen einen übernatürlichen Ton verleihen. Er treibt uns dazu an, die Lehre Christi zu bejahen und uns zutiefst anzueignen, Er erleuchtet uns, damit wir uns unserer persönlichen Berufung bewußt werden, und stärkt uns, damit wir tun, was Gott von uns erwartet.“

Das Veni Creator SpiritusKomm´Schöpfer Geist bittet: „Accende lumen sensibus“ – zünde an ein Licht in meinen Sinnen. Laß mich in den schönen Dingen der Natur Deine Liebe erahnen. Laß mich wie damals der Herr empfinden, als sein „Seht die Blumen des Feldes“ nicht ästhetisches Gefühl blieb, sondern nach oben wies: „Euer himmlischer Vater...“.

Auch wir dürfen nicht bei der herrlichen Verzückung des sinnenhaft Schönen stehen bleiben, sondern sollen unsere Aufmerksamkeit nach oben richten. Im inwendigen Licht als Geschenk des Geistes eröffnet sich uns das eigentliche Geheimnis des Menschen: das Geheimnis der Gotteskindschaft.

Fünfzig Tage nach Ostern werden den Jüngern die Regungen des Frühlings wahrscheinlich entgangen sein, denn ihr Blick war ganz nach innen und nach oben gerichtet. Sie erfuhren den verheißenen Geist als Feuer und Sturmwind. Und gleich fingen sie an, Gott in Jesus zu verkünden - menschgeworden, gestorben, auferstanden, verherrlicht. Damit begann die Kirche zu blühen - im Frühling.

von Josef Arquer