Die Schule von Nazareth

Zum Fest der Heiligen Familie

Am Sonntag in der Weihnachtsoktav feiert die Kirche das Fest der Heiligen Familie. Wer dieses Fest wirklich begeht, der geht in eine besondere Schule, in die Schule von Nazareth: Die Lehrer heißen Jesus, Maria und Josef. Drei Lektionen stehen auf dem Lehrplan: Die erste – die Arbeit; die zweite – die Erziehung; die dritte – das Gebet.

Die Arbeit

Josef war ein Zimmermann, ein Handwerker. Es ist sicher, dass er Jesus sein Handwerk beigebracht hat. Das war Gewohnheit damals in Palästina. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass Josef schlecht gearbeitet haben könnte oder Jesus nur oberflächlich in die Arbeit einwies. Jesus, der Sohn Gottes, ist die menschliche Arbeit nicht geflohen. Den Großteil seines irdischen Lebens hat er seinem irdischen Nährvater bei der Arbeit geholfen. Und Jesus war sicherlich ein guter Handwerker. Denn er war vollkommen Mensch. Und auch Maria kann nicht eine faule Frau gewesen sein. Davon sprechen viele Bilder und Gemälde, die die Madonna bei der Hausarbeit zeigen, als der Engel zu ihr kommt, um ihr zu verkünden, dass sie zur Mutter Gottes berufen ist. Das Haus der Heiligen Familie war sicherlich ein Haus, in dem gut gearbeitet wurde, weil alle Drei ihre Arbeit geheiligt haben. Sie wussten sich nämlich in der Gegenwart Gottes, der den Menschen die Fähigkeit und die Kreativität gegeben hat zu arbeiten. Jesus, Maria und Josef haben Gott ihre Arbeit als ein Opfer angeboten, weil sie wirklich ganz Mensch sein und Gott Vater ehren wollten.

Das ist das Ergebnis der ersten Unterrichtseinheit: Gut zu arbeiten ist eine gerechte und gute Sache, weil wir so Gott zeigen können, dass wir ihn lieben. Jeder muss arbeiten: sei es zu Hause, in der Fabrik, im Büro, auf der Station, im Labor... Jeder kann seine Arbeit heiligen, indem er durch sie Gott lobt, durch sie den anderen hilft und die Welt mitgestaltet.

Zweite Lektion: Erziehung

Jesus war vollkommen Mensch und hatte es wie jeder Mensch nötig zu lernen. Der Sohn Gottes wurde erzogen von Josef und Maria. Der Evangelist Lukas nähert sich dieser Realität so: „Dann kehrte er mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam.“ Das ist ein Beispiel für die jungen Menschen wie auch für die junggebliebenen, die weiter lernen wollen: Man muss die Bereitschaft haben, die Ratschläge der Menschen anzuhören, die Erfahrungen haben. Nur der Mensch reift, der auf reife Menschen hört. Der Sohn Gottes, der König der Welt, war Maria und Josef gehorsam. Auch wir sollten also bereit sein, weise und kluge Ratschläge und Hinweise anzunehmen. Das gilt auch für das Glaubens- und das Gebetsleben.

Aber die Heilige Familie zeigt auch, wie es möglich sein kann, die jungen Menschen in einer angemessenen Form zu erziehen: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ So fragte Jesus seine Eltern, als sie ihn nach langer Suche endlich gefunden hatten. Eine wirklich angemessene Erziehung zielt darauf ab, freie Personen hervorzubringen, die fähig sind, ein eigenständiges Leben zu leben. Das heißt, dass die Erziehenden niemals die zu Erziehenden für sich besitzen. Die Kinder sind nicht das Eigentum der Eltern, und Schüler gehören nicht den Lehrern. Jene freilassen, loslassen können, um die man sich sorgt – das ist wohl mit die größte erzieherische Herausforderung. Man muss lernen, die Kinder sozusagen von sich weg zu erziehen.

Dritte Lektion: Gebet

Die letzte Unterrichtsstunde dreht sich um das Gebet. Beten heißt sprechen mit Gott. Aber wie? Die Antwort der Heiligen Familie auf diese Frage klingt so: In aller Einfachheit, einfach natürlich und vertraut. So wie Maria und Josef: Sie sprechen jeden Tag mit Jesus – also mit Gott – über wichtige und weniger wichtige Dinge. Mitten im grauen Alltagstrott und ebenso bei besonderen Gelegenheiten. Und häufig verständigen sie sich mit Jesus auch ohne Worte, weil auch ein liebender Blick, eine kleine Hilfestellung beredt ist – das heißt für sich spricht. Diese Atmosphäre des Gebetes fasst der heilige Josefmaria einmal so zusammen: „Du hast mir geschrieben: "Beten ist Sprechen mit Gott. Aber wovon?" - Wovon? Von Ihm und von dir, von Freude und Kummer, von Erfolgen und Misserfolgen, von hohen Zielen und alltäglichen Sorgen... Von deinen Schwächen! Danksagungen und Bitten. Lieben und Sühnen. Kurz, Ihn erkennen und dich erkennen: Beisammen sein!“

Die Heilige Familie bringt uns aber darüber hinaus auch die kirchliche Dimension des Gebetes bei: Im Evangelium des Lukas heißt es einmal, dass Maria und Josef das Jesuskind nach Jerusalem getragen haben, um es aufzuopfern, wie es im Gesetz des Mose geschrieben steht. Die Heilige Familie ist ein gutes Beispiel, die Gebote und Ratschläge der Kirche ernst zu nehmen, weil Maria und Josef die Gebote des Alten Bundes ernstnahmen. Die Tradition der Kirche ist reich an geistlichen Hilfen: zum Beispiel die Sonntagspflicht oder das Beobachten der unterschiedlich geprägten Zeiten des Kirchenjahres. Nutzen wir diesen Reichtum! Natürlich und einfach zu beten – zusammen in und mit der Kirche – das ist die dritte, wichtige Lektion.

Es lohnt sich immer wieder, in die Schule von Nazareth zu gehen

von Klaus Klein-Schmeink