Die Gründung vor 90 Jahren war Gottes Initiative

Der übernatürliche Sinn des heiligen Josefmaria Escrivá für das Mögliche hat den allzu menschlichen Wirklichkeitssinn mancher Skeptiker hinter sich gelassen. Von Andreas Kuhlmann.

Im Jahre 1946 stand das Opus Dei vor seinem 18. Geburtstag, aber zum Feiern war wenig Anlass. Der selige Alvaro del Portillo – die „rechte Hand“ des Gründers – hatte von einem hochrangigen Prälaten in Rom zu hören bekommen, das Opus Dei sei hundert Jahre zu früh geboren worden. Am 2. Oktober 1928 hatte Gott dem jungen Priester Josefmaria Escrivá „sein Werk“ wie ein kleines Baby anvertraut, damit er es großziehe. Oder wie sein Biograf Vázquez de Prada nach Worten Escrivás schrieb: „Das Werk Gottes ist nicht die Erfindung eines Menschen (…). Der Herr hat es vor vielen Jahren einem ungeeigneten und tauben Werkzeug anvertraut.“ Doch 1946, kurz vor dem 18. Geburtstag, hätte man meinen können, Gott habe sich mit seiner Initiative tatsächlich um ein Jahrhundert vertan, denn Escrivá konnte damals in der Weltkirche keinen sicheren Platz für das Opus Dei finden. Mit seinem übernatürlichen Sinn für das Mögliche, schien der Gründer wie Robert MusilsMann ohne Eigenschaften den Realitätssinn mancher Kirchenmänner zu überfordern.

In den dreißiger Jahren in Madrid erteilte er einmal drei jungen Leuten, die sich ihm angeschlossen hatten, den Sakramentalen Segen. Doch hinter ihnen „sah“ er dreihundert, dreitausend, dreihunderttausend, die kommen würden – nach Musil scheinbar ein Phantast, ein Träumer. Aber Josefmaria Escrivás „Vision“ ist mit der Gnade Gottes Wirklichkeit geworden. „Träumt, und die Wirklichkeit wird eure Träume weit übertreffen!“ So hatte er seinen geistlichen Kindern gesagt. Der Sinn dieses Heiligen für das Mögliche hat den allzu menschlichen Wirklichkeitssinn der Skeptiker und Pragmatiker hinter sich gelassen.

Seither hat sich das Opus Dei auf allen fünf Kontinente ausgebreitet. Und am 28. November 1982 hat es auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils seinen sicheren Platz in der Weltkirche gefunden. Als „Personalprälatur“ dient es den Ortskirchen durch seine Angehörigen, die mitten in ihren Familien und Berufen danach streben, ein Sauerteig christlichen Lebens zu werden.

Das Opus Dei 100 Jahre zu früh? „Gott tritt aus vollkommen freier Initiative an uns heran“, schrieb Romano Guardini 1928, und so geschah es in Madrid am 2. Oktober desselben Jahres. Nach der Vorstellung des besagten Prälaten hätte das Opus Dei erst 2028 geboren werden sollen. Doch nun ist es neunzig Jahre alt. Ein Anlass Gott zu danken für seine Initiative an jenem 2. Oktober.