Die Evangelisierung unserer Gesellschaft geht zu langsam voran

Wer sein eigenes Leben nach dem Vorbild Jesu umgestaltet, leistet ganz im Sinne des Briefes von Papst Franziskus an die deutschen Katholiken einen wichtigen Beitrag zur Neuevangelisierung, gibt Msgr. Cesar Martinez zu bedenken.

Die Evangelisierung unserer Gesellschaft, die die große Aufgabe der Kirche ist und bleibt, geht zu langsam voran. Bei dem Versuch, die Krise der Kirche in Deutschland zu überwinden, setzen wir zu sehr auf die Veränderung von Strukturen. Das bringt uns der Überwindung der Krise kaum näher.

In seinem Brief „an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ vom 29. Juni sagt uns Papst Franziskus, dass die gegenwärtige Krise in erster Linie nach einer persönlichen Bekehrung verlangt. Zurück zu Christus, zurück zu einem persönlichen Umgang mit ihm „in der Arbeit, in der Ruh“. Das ist es, was der Heilige Vater uns ans Herz legt. Jesus Christus soll die Nummer eins im Leben der Christen sein. Wenn wir den Schatz unseres Glaubens wieder entdecken, werden wir staunen, wie tief ein lebendiger Glaube reicht und wie viel er in Kirche und Gesellschaft bewirkt.

Wir sollen uns der Welt nicht anpassen, sondern sie verschristlichen. Denn Gott ist das Licht der Welt, nicht die Welt das Licht Gottes. Als die Jünger damals den Seufzer Jesu hörten, „Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen, wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12, 49), waren sie zunächst überrascht. Doch später gingen sie in sich und begriffen, dass sie Jesus bei der Weitergabe seiner Vision für die Welt viel entschlossener als bislang unterstützen mussten.

Auch wir können dazu beitragen, dass das Feuer, das Jesus auf die Erde gebracht hat, unsere persönliche Umgebung erhellt und erwärmt. Wir können etwas Entscheidendes dazu beitragen, dass unsere Familie, unsere Freunde, Bekannten, Kollegen und Nachbarn erkennen, dass Christsein spannender, abenteuerlicher und beglückender ist als Strukturdebatten und Vereinsmeierei. Wenn wir das wirklich wollen, müssen wir zuerst einmal dafür sorgen, dass wir unser eigenes Leben noch bewusster und direkter am Evangelium ausrichten als in der Vergangenheit.

Christsein heißt im Grunde nichts anderes, als in die Fußstapfen Jesu zu treten. Christsein bedeutet also, das eigene Leben nach dem Vorbild Jesu umzugestalten – denken, urteilen und handeln wie Jesus. Sein Leben auf dieser Erde war nicht nur vorbildlich, es war auch schön, erfüllt und glücklich. Wirklich als Christ leben heißt letztlich, richtig und glücklich leben, selbst wenn die Umstände manchmal mühsam und schwierig, ja sehr schwierig sind.

Echte Christen sind nicht von gestern, sondern von heute – und sogar von morgen. Trotz all ihrer persönlichen Schwächen und Fehler sind sie das Rückgrat der Geschichte, die Kontinuität und schließlich die Zukunft. Deshalb lassen wir uns nicht von der leeren Propaganda derer verleiten, die den jeweils herrschenden Zeitgeist anbeten und deshalb das Leben der Christen und der Kirche geradezu zwangsläufig diskreditieren wollen.

Wenn wir uns bei der Gestaltung unseres persönlichen Lebens für einen Stil entscheiden, der die Lebensweise Jesu sichtbar werden lässt, dann leisten wir einen großen Dienst, geradezu einen Gottesdienst. Jeder einzelne da, wo er ist, in seiner Familie, in seiner Stadt, an seinem Platz in Beruf und Gesellschaft, in seinem sozialen Engagement: „Jeder Mensch erhält von Gott seine persönliche Berufung, seinen persönlichen Heilsauftrag“, sagte Papst Johannes Paul II. am 16. November 1980 in Osnabrück. Wenn wir unser Leben so gestalten, leisten wir ganz im Sinne von Papst Franziskus in seinem Brief einen wichtigen Beitrag.