Betrachtungstext: Karwoche – Dienstag

Die Demut, die der heilige Petrus lernt – Angesichts unserer Schwächen und Treulosigkeiten – Der heilige Petrus begreift, dass er auf Gott vertrauen muss

DU WILLST für mich dein Leben hingeben? Amen, amen, ich sage dir: Noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen (Joh 13,38). Das Evangelium der heutigen Messe berichtet über die dreifache Verleugnung des heiligen Petrus. Als Jesus ihm in der vertrauten Atmosphäre des letzten Abendmahls seinen Verrat ankündigt, ist der Apostel überrascht und erschüttert. Er kann sich nicht vorstellen, wie das geschehen könnte. Petrus ist entschlossen, treu zu sein bis in den Tod, und will nicht zulassen, dass sein Meister seinen Feinden ausgeliefert wird. Obwohl er dafür bereits zurechtgewiesen wurde, kann er die Begründung immer noch nicht akzeptieren. Sein Denken ist zu menschlich und zu begrenzt. Die Liturgie hingegen erinnert uns daran, dass „die Tage kommen, die seinem heilbringenden Leiden und seiner glorreichen Auferstehung geweiht sind. Es kommt der Tag des Triumphes über den alten Feind, es naht das Fest der Erlösung.1

Petrus denkt auf seine Weise, dass er bereit ist, sein Leben für den Herrn zu opfern. Tatsächlich wird er im Moment der Verhaftung Jesu sein Schwert ziehen und sich einem ganzen Zug bewaffneter Soldaten entgegenstellen, der bekomme ist, um seinen Herrn festzunehmen. Es mangelt ihm weder an Mut noch an Verehrung für Jesus. Die Realität wird ihm jedoch zeigen, dass diese Eigenschaften nicht ausreichen. Petrus braucht auch Demut, die aus der Selbsterkenntnis und vor allem aus der Gotteserkenntnis erwächst. Bis zum Schluss hört Jesus nicht auf, Petrus zu formen. Und dies sind die wichtigsten Lektionen seines Lebens: Petrus wird nicht wegen seiner Stärke zum Felsen, sondern wegen der Demut, die er durch die tiefe Beziehung zu Jesus erlangt hat. Indem er die Grenzen seiner eigenen Kraft erfährt, muss er begreifen, dass Gott ihn stützen wird.


DIE ANKÜNDIGUNG von Petrus’ Verrat wird im heutigen Evangelium gemeinsam mit der Ankündigung von Judas’Verrat dargelegt, was uns ermöglicht, die Unterschiede zu erkennen. Petrus legte seine Schwäche in die Hände Jesu; er wandte sich von seinen Fehlern und Stärken ab und lernte, auf Gottes Güte, Pläne und Wege zu vertrauen. Petrus täuschte Jesus nicht, als er ihm versicherte, dass er ihm bis in den Tod treu sein würde. Allerdings verließ er sich dabei fast ausschließlich auf seine eigene Kraft und hielt sich für fähig dazu. Im Gegensatz dazu gab Judas seinen Verrat an Jesus nie zu; er versuchte immer, den Schein zu wahren. Petrus hingegen kümmerte sich, zumindest wenn er bei Christus war, nie um den Schein, auch wenn er ihm erlag, als er von einem Dienstmädchen im Haus des Hohepriesters angesprochen wurde.

Um ihn vor seiner Verwirrung zu bewahren, hätten dem Fischer von Kafarnaum die Worte des Augustinus helfen können: „Suche, wo dein Verdienst ist, schau, wo er herkommt, frage dich nach deiner Gerechtigkeit; und du wirst sehen, dass du nichts als reine Gnade finden kannst.2 Der heilige Petrus hielt seine Liebe zu Jesus bereits für groß genug, um jegliche Prüfung zu bestehen. Doch dann fiel es ihm leichter, vor den Soldaten treu zu bleiben als vor einem offensichtlich schwächeren Feind. Das Dienstmädchen erschütterte sein Selbstvertrauen. Diese Erschütterung war notwendig: Petrus entdeckte so den Weg des Heruntersteigens, um Christus nachfolgen zu können. Befreit von seinen eigenen Kräften und Wünschen konnte er die Pläne Gottes übernehmen und treu sein.

Der heilige Bernhard erinnert uns in diesem Sinne daran, dass es besser ist, wenn wir darauf achten, was Gott für jeden Einzelnen bereit ist zu tun, auch für Petrus: „Frag dich nicht, du, der du ein Mensch bist, was du gelitten hast, sondern was er gelitten hat. Schließe aus all seinem Leiden für dich, wie hoch er dich einschätzt, und so wird dir seine Güte ersichtlich durch seine Menschheit. Je kleiner er sich in seiner Menschheit machte, desto mehr offenbarte er sich in seiner Güte; und je mehr er sich für mich erniedrigen ließ, desto mehr ist er mir jetzt lieb.3


ALLZU OFT denken wir“, so schrieb Papst Franziskus, „dass Gott sich nur auf unsere guten und starken Seiten verlässt, während sich in Wirklichkeit die meisten seiner Pläne durch und trotz unserer Schwachheit realisieren. (...) Der Böse lässt uns verächtlich auf unsere Schwachheit blicken, während der Heilige Geist sie voll Erbarmen ans Tageslicht bringt. Die Sanftmut ist der beste Weg, um mit dem Schwachen in uns umzugehen. (...) Der Glaube an Gott bedeutet auch, daran zu glauben, dass dieser selbst durch unsere Ängste, unsere Zerbrechlichkeit und unsere Schwäche wirken kann. Und er lehrt uns, dass wir uns inmitten der Stürme des Lebens nicht davor fürchten müssen, das Ruder unseres Bootes Gott zu überlassen. Manchmal wollen wir alles kontrollieren, aber er hat alles wesentlich umfassender im Blick.4

Es erfüllt uns mit Frieden zu wissen, dass Gott möchte, dass wir auf ihn und das Gute vertrauen, was wir haben und was auch Gottes Geschenk ist. Der heilige Petrus ist uns auch darin beispielhaft vorangegangen. Es erfüllt uns mit Gelassenheit zu entdecken, dass wir uns auf unsere Stärken und Fähigkeiten – seien es viele oder wenige – stützen können, weil Gott das Wachstum im Überfluss schenken wird. Wie gerne würden wir lernen, für die Sendung, die uns anvertraut ist und die uns irgendwie übersteigt, nicht nur auf unsere Fähigkeiten zu bauen! Wir staunen und sind voller Dankbarkeit für die Liebe, die Gott zu uns hat, um mit unserer Mitwirkung Wunder zu vollbringen.

Die heilige Theresia vom Kinde Jesu sagte über den Verrat des Petrus: „Ich verstehe sehr gut, dass der heilige Petrus gefallen ist. Der arme Petrus vertraute auf sich selbst, anstatt sich allein auf die Kraft Gottes zu verlassen (...). Ich bin überzeugt, dass der heilige Petrus, wenn er demütig zu Jesus gesagt hätte: ,Gewähre mir die Kraft, dir bis zum Tod zu folgen‘, diese sofort erhalten hätte (...). Bevor er die ganze Kirche leitete, die voll von Sündern ist, war es gut für ihn, am eigenen Leib zu erfahren, wie wenig der Mensch ohne Gottes Hilfe vermag.5 Nach dieser Lektion wird Petrus wissen, wie er seine Fähigkeiten – die zwar geliehen, aber dennoch ein kostbares Geschenk sind – in den Dienst der Erlösung stellen und sich an seinen Herrn wenden kann, der allmächtig ist. „Wenn wir daher“, so schrieb der heilige Josefmaria, „dem Herrn mit glühendem Herzen sagen, dass wir ihm sehr wohl treu sein wollen, dass wir zu jedem Opfer bereit sind, dann werden wir sagen: Jesus, mit deiner Gnade! Meine Mutter, mit deiner Hilfe! Ich bin so schwach, ich begehe so viele Fehler, so viele kleine Irrtümer, dass ich mich – wenn du mich im Stich lässt – imstande sehe, auch große zu begehen.6


1 Messtext, Präfation vom Leiden des Herrn II.

2 Hl. Augustinus, Predigt, 185.

3 Hl. Bernhard, Predigt 1 über die Erscheinung des Herrn, 1-2.

4 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris corde, Nr. 2.

5 Hl. Therese vom Kinde Jesu, Letzte Gespräche, 7.8.1897.

6 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 32b.