Betrachtungstext: 27. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Gott will, dass wir heilig sind – Kindliches Beten – Vergebung erlangen und schenken

JESUS ist im Gebet gesammelt. Seine Jünger haben ihn schon oft dabei beobachtet. Sie wünschen sich diese Vertrautheit mit Gott für sich selbst, die ihr Meister mit einer solchen Natürlichkeit besitzt und die sich in seinen Worten, in seinem Tun, in seiner Freude äußert. Deshalb kommen sie, um eine Bitte an ihn heranzutragen, der wir uns anschließen wollen: Herr, lehre uns beten (Lk 11,1). Jesus schenkt den Aposteln das Gebet, das sein Leben und sein innerstes Verlangen enthält: den Willen Gottes zu tun, sich in seine Hände zu begeben. Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde (Mt 6,9-10). Gottes Wille ist, dass wir heilig und somit glücklich sind. Paulus wird uns später daran erinnern: Das ist es, was Gott will: eure Heiligung (1 Thess 4,3).

Im Leben Jesu sehen wir, dass er sich nicht damit begnügte, den Willen seines Vaters resigniert anzunehmen: Er umfing ihn bis zum Äußersten, der Hingabe seines Lebens für uns. Der heilige Josefmaria sprach über die verschiedenen Arten und Weisen, den Willen Gottes anzunehmen, besonders wenn es schwierig wird: „Schleife dein Kreuz nicht hinter dir her ... Nimm es fest auf deine Schultern, weil dein Kreuz, wenn du es so trägst, nicht mehr irgendein Kreuz sein wird ... sondern das Heilige Kreuz. Werde nicht mutlos unter dem Kreuz. Resignation ist ein wenig großzügiges Wort. Liebe das Kreuz. Wenn du es wirklich liebst, wird dein Kreuz ... ein Kreuz ohne Kreuz sein.“1

„Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch“, so erinnerte uns der heilige Irenäus, „das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes.“2 im Angesicht Gottes zu leben, der seinen eigenen Sohn hingab, um uns zu retten, ist die beste Wahl, die wir treffen können. Niemand ist um unser Seelenheil so bemüht wie er. Das Gebet, das Jesus die Apostel gelehrt hat, ist im Kern ein „Ja“ zu Gottes Willen, dass wir glücklich sein mögen. Wenn wir das Vaterunser beten und den Worten des Herrn ihren ganzen Sinn geben, erfüllt es uns mit Frieden, Sicherheit und Kraft.


GOTT hat alles getan, um den Geschöpfen, die er liebt, nahe zu sein und uns seine Liebe zu zeigen. Der heilige Alphons Maria von Liguori legte ihm folgende Worte in den Mund: „Mensch, bedenke, dass ich dir mit meiner Liebe zuvorgekommen bin. Noch bevor du in die Welt kamst, ja noch bevor die Welt war, galt dir schon meine Liebe. Wie ich als Gott mich von Ewigkeit liebe, so bist du in dieser Liebe immer schon gegenwärtig.“3 Das Gebet, das Jesus seine Apostel lehrt, führt uns in das Wesen dessen ein, was wir sind: geliebte Kinder Gottes; Geschöpfe, die von Ewigkeit her auserwählt sind, in seine Freude einzutreten. Für uns, die wir noch in der Zeit und in der Hinfälligkeit des menschlichen Daseins leben, ist es allerdings schwierig, uns diese göttliche Liebe in ihrer ganzen Fülle vorzustellen.

Von Anfang an lehrt uns Jesus, uns mit erstaunlichem Vertrauen an Gott zu wenden. Er selbst wird schließlich verurteilt werden, weil er Gott seinen Vater nennt: Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir noch Zeugen? (Mt 26,65). Gott war den Männern und Frauen noch nie so nah. Unser kindliches Gebet mit dem Gebet Christi zu verbinden, erfüllt uns mit Hoffnung und macht es uns möglich, in die Fußstapfen Jesu zu treten und den Willen seines Vaters zu tun. Zunehmend verschwindet die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Neuen, vor dem, was wir nicht kontrollieren können. Das Wissen, dass wir Kinder sind, treibt uns an, hinauszugehen und uns vom Licht unseres Vaters Gott erfüllen zu lassen. Papst Benedikt predigte: „Das Dunkel kann zeitweise bequem erscheinen. Ich kann mich verstecken und kann mein Leben verschlafen. Aber wir sind nicht zum Dunkel berufen, sondern zum Licht.“4

Das Vaterunser enthält den ganzen Weg zu einem immer besseren Verständnis unserer Kindschaft. Papst Franziskus sagt über das unverdiente Liebesangebot Gottes: „Das Heil, das Gott uns anbietet, ist ein Werk seiner Barmherzigkeit. Es gibt kein menschliches Tun, so gut es auch sein mag, das uns ein so großes Geschenk verdienen ließe. Aus reiner Gnade zieht Gott uns an, um uns mit sich zu vereinen. Er sendet seinen Geist in unsere Herzen, um uns zu seinen Kindern zu machen, um uns zu verwandeln und uns fähig zu machen, mit unserem Leben auf seine Liebe zu antworten.“5


AUCH WEGEN der göttlichen Bereitschaft zu vergeben befindet sich der Himmel dauerhaft in Feststimmung. Vergeben, wie Gott es tut, übersteigt unsere Möglichkeiten, Jesus lädt uns in seinem Gebet jedoch dazu ein, von der Logik des Tausches in unseren Beziehungen abzugehen, denn die Liebe kann in einem Umfeld von Verdienst und Schuld – wie du mir, so ich dir – nicht überleben. Ein liturgisches Gebet, in dem von einem „heiligen Tausch“ zwischen Gott und uns die Rede ist, zeigt uns die Richtung. Hier sagen wir, dass „wir unsere Gaben darbringen“, und bitten: „Nimm sie in Gnaden an und schenke uns dich selbst.“6 Das ist göttliche Logik.

In der Beichte erfahren wir Gottes Vergebung auf besondere Weise; eine Vergebung, die Befreiung ist und unserer Logik zuwiderläuft: Denn es sind nicht unsere Werke, die uns rechtfertigen, sondern allein unsere Bereitschaft, zu Gott zurückzukehren. In der Beichte erfahren wir Gottes unentgeltliche Liebe sehr direkt. Und Papst Franziskus lädt uns ein, es ihm nachzutun: „Wie oft befreien wir uns von so vielen inneren Lasten, zum Beispiel davon, dass wir uns nicht geliebt und respektiert fühlen, gerade indem wir beginnen, andere ohne Gegenleistung zu lieben!“7 

Zusätzlich führt uns das Bewusstsein, dass uns von unserem Herr vergeben worden ist, dazu, Beleidigungen, die uns möglicherweise zugefügt wurden, relativieren zu können. Der heilige Josefmaria empfiehlt: „Strenge dich notfalls an, denjenigen immer und vom ersten Augenblick an zu vergeben, die dich beleidigen; denn auch wenn der Schaden oder die Beleidigung noch so groß ist, hat Gott dir mehr vergeben.“8 Bitten wir Maria, uns zu helfen, die befreiende Vergebung ihres Sohnes zu erfahren, um sie unseren Mitmenschen gegenüber leben zu können.


1 Hl. Josefmaria, Der Rosenkranz, 4. Schmerzhaftes Geheimnis.

2 Hl. Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien, 4. Buch, 20. Kapitel, Nr. 7.

3 Hl. Alfons Maria von Liguori, Jesus lieben lernen, S. 15-16.

4 Benedikt XVI., Predigt, 22.3.2008.

5 Franziskus, Evangelii gaudium, Nr. 112.

6 Römisches Messbuch, 20. Sonntag im Jahreskreis (C), Gabengebet.

7 Franziskus, Predigt, 26.7.2022.

8 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 452.

Foto: Caroline Hernandez (unsplash)