Betrachtungstext: 27. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Christus „zwischen den Kochtöpfen“ suchen – Marta: wenn es uns zu viel wird – Maria: ein Wort, das das Leben durchdringt

Frisches Brot und Fisch und ein Krug Wasser

DIE SZENE mit den zwei Schwestern in Bethanien (vgl. Lk 10,38-42) wurde gelegentlich als ein Widerstreit zwischen zwei Varianten der Glaubenspraxis gesehen: wie Marta, die sich den irdischen Aufgaben widmet, oder wie Maria, die sich auf die Dinge Gottes konzentriert. Wir können aber auch der Ansicht sein, dass beide Haltungen notwendig sind und einander ergänzen: Man muss seine alltäglichen Beschäftigungen nicht aufgeben, um stets beim Herrn zu sein. Der heilige Josefmaria schrieb – mit einer Anleihe bei einer heiligen Ordensfrau: „Man muss Jesus Christus im Alltag suchen – selbst ,zwischen den Kochtöpfen‘, wie die heilige Theresia gerne sagte – im Gewöhnlichen. (...) Gott ist da: zwischen den Büchern, zwischen den Laborgeräten, in der Forschungs- oder Lehrarbeit; und er ist auch in der Küche, zwischen den Reinigungsgeräten oder im Bügelzimmer.“1

Als sich Marta bei Jesus darüber beschwert, dass ihr ihre Schwester nicht im Haushalt hilft, antwortet ihr Jesus: Du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden (Lk 10, 41-42). Christus fordert Marta nicht auf, ihre Arbeit niederzulegen. Wie hätten er und die Apostel sonst essen und sich stärken können? Der Meister möchte jedoch, dass Marta in ihrer Rolle als Gastgeberin nicht „das Bessere“ vergisst, das einzig „Notwendige“: Gott die Ehre zu erweisen und den anderen durch ihre gutgetane Arbeit zu dienen. Mit Worten des Gründers des Opus Dei: „Es kommt ein Moment, ab dem wir nicht mehr unterscheiden können, wo das Gebet aufhört und die Arbeit beginnt, denn unsere Arbeit ist auch Gebet, Beschauung, ein wahres mystisches Leben der Vereinigung mit Gott.“2


WAHRSCHEINLICH ist es uns bereits mehr als einmal so ergangen wie Marta. Für eine Weile, sei sie kurz oder lang, können wir den Eindruck haben, nicht alles erledigen zu können, was wir uns vorgenommen haben. Vielleicht müssen wir uns um eine Familie kümmern, haben berufliche Verpflichtungen und fast täglich mit einem unvorhergesehenen Ereignis zu tun, das uns zusätzlich Zeit und Aufmerksamkeit kostet: ein Krankheitsfall, ein Anruf oder ein Arbeitstreffen in letzter Minute, eine Arbeit, die sich zieht, eine Havarie im Haus, ein längeres Gespräch mit einem Freund oder Kollegen usw. In solchen Momenten wünschen wir uns, dass diese stressige Zeit so schnell wie möglich vorüber geht, und haben ein legitimes Verlangen danach, dass endlich wieder Ruhe und Frieden einkehren.

Martas Reaktion kann uns einen Hinweis darauf geben, wie wir in solchen Momenten reagieren können: uns an Jesus wenden und uns bei ihm aussprechen. Werft alle eure Sorge auf ihn, schreibt der heilige Petrus, denn er kümmert sich um euch! (1 Petr 5,7). Gleichzeitig kann uns die Aufforderung des Herrn, auf das „Notwendige“ zu achten, auch dabei helfen, den Sinn jener Beschäftigungen zu entdecken, die uns den Frieden rauben könnten. Denn sie sind nicht nur unerwartete Belastungen oder lästige Pflichten, sondern Wege, auf denen wir die Heiligkeit erlangen und zum Wohl unserer Mitmenschen beitragen. Diese neue Sichtweise bedeutet kaum, dass unsere Erschöpfung über Nacht verschwindet oder es uns gelingt, unsere Aufgaben so perfekt zu koordinieren, wie es Zeitmanagement-Experten lehren. Und selbst wenn wir uns diesem hohen Ideal annähern, hat die Müdigkeit, die wir mit Jesus teilen, einen Wert. Unser Bemühen zielt nämlich nicht darauf ab, die Aufgabe so schnell wie möglich hinter uns zu bringen, sondern hat eine ehrgeizige Dimension: uns mit Christus zu identifizieren, der sein Leben auf die Dinge seines Vaters ausrichtete und stets ein offenes, großmütiges Herz für diejenigen hatte, die zu ihm kamen.

Diese Haltung erklärt, „warum die Heiligen selbst inmitten von Schmerz, Schande, Armut und Verfolgung voller Frieden erscheinen. Die Antwort ist klar“, wie der selige Alvaro sagte, „weil sie sich mit dem Willen des Vaters im Himmel vereinen und Christus nachfolgen wollen.“3 Auf diese Weise wird das, was früher vielleicht als eine Bedrohung empfunden wurde, die unser inneres Leben erschüttern konnte, auf neue Weise gesehen: als eine Gelegenheit, in den Idealen zu wachsen, die unser Leben tragen.


MARIA, Martas Schwester, lauscht aufmerksam den Worten Jesu. Sie folgt seinen Lehren anders als manche Pharisäer oder Schriftgelehrte, die nur nach etwas suchten, das sie ihm vorwerfen konnten. Maria nimmt seine Lehren mit Liebe und praktischem Nutzen auf: Sie erfreut sich nicht nur an der Schönheit der Rede, sondern bemüht sich, seine Worte zu verinnerlichen und auf ihr persönliches Leben anzuwenden. „Wenn du das Evangelium aufschlägst“, riet der heilige Josefmaria, „mach dir klar, dass du die Berichte über die Taten und Worte Christi nicht nur kennen, sondern auch selbst erleben sollst. Jede Szene enthält sehr viele Einzelheiten, die du auf deine konkreten Lebensumstände übertragen kannst.“4

Papst Franziskus empfahl: „Das Hören auf Gottes Wort besteht darin, ,es zu lesen‘ und sich zu fragen: ,Aber was sagt das meinem Herzen?‘ (…) Gott spricht nicht nur zu allen Menschen, sondern er spricht zu einem jeden von uns. Das Evangelium ist für einen jeden von uns geschrieben worden.“5 Um diesen persönlichen Sinn zu entdecken, muss das Wort Gottes in uns reifen. Es genügt nicht, einen Absatz ein einziges Mal zu hören oder zu lesen, um seinen vollen Sinn zu begreifen, sondern es muss sich in unseren Herzen und Köpfen setzen. Dann können wir die Ereignisse in unserem Leben im Licht dieses Wortes lesen und erkennen, was der Herr uns in jedem Augenblick mitteilen will.

Die Jungfrau Maria lebte diese Haltung vor. Sie betrachtete in ihrem Herzen sowohl die Episoden ihres Lebens, die sie nicht verstand, als auch jene, die sie mit Freude erfüllten. Möge unsere Mutter uns helfen, dem zu folgen, was ihr Sohn im Haus von Bethanien lehrte: Gott durch unsere Arbeit zu ehren und auf sein Wort zu hören, damit es unser ganzes Leben durchdringt.


1 Hl. Josefmaria, Brief 36, Nr. 60.

2 Hl. Josefmaria, Brief 11, Nr. 25.

3 Sel. Alvaro del Portillo, Hirtenbrief, 1.5.1987.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 754.

5 Franziskus, Tagesmeditation, 23.9.2014.