Betrachtungstext: 2. Woche im Jahreskreis – Sonntag (B)

Führer, die uns helfen, Gott zu erkennen – Eine Begegnung, die das Leben verändert – Die Freude teilen

DIE LITURGIE dieses Sonntags widmet sich dem Thema der Berufung. In der ersten Lesung erfahren wir die Geschichte von Samuels Berufung, einem Jungen, der im Tempel lebte. In einer nächtlichen Vision hörte er seinen Namen dreimal in Folge rufen. Jedes Mal eilte er zum Priester Eli, da er dachte, dieser rufe ihn. Doch beim dritten Mal erkannte Eli, dass der Herr den Knaben gerufen hatte, und sagte zu ihm: Geh, leg dich schlafen! Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört (1Sam 3,8-9). Von diesem Moment an lernte Samuel, die Stimme Gottes zu erkennen, und wurde zum Propheten. Das Evangelium schildert eine ähnliche Szene. Johannes der Täufer war mit zwei seiner Jünger unterwegs. Da sah er den Herrn vorübergehen und rief: Seht, das Lamm Gottes! (Joh 1,36). Da begannen die beiden, Jesus zu folgen, und nachdem sie jenen Tag mit ihm verbracht hatten, erkannten sie in ihm den Messias. Sie teilten ihre Entdeckung mit anderen, und so bildete sich die erste Gruppe von Aposteln.

Diese Texte unterstreichen „die entscheidende Rolle der geistlichen Leitung auf dem Weg des Glaubens und insbesondere bei der Antwort auf die Berufung“1, wie Papst Benedikt betonte. Samuel und die beiden Jünger lernten den Herrn dank der Hinweise von Eli und dem Täufer zu erkennen. Gott will auf die Vermittlung von Menschen angewiesen sein, um seinen Ruf weiterzugeben. An erster Stelle sind es die Eltern, die, wie Papst Benedikt weiter sagt, „mit ihrem echten und freudigen Glauben und durch ihre eheliche Liebe den Kindern zeigen, dass es schön und möglich ist, das ganze Leben auf der Liebe zu Gott aufzubauen“2. Der heilige Josefmaria sagte daher häufig, dass die Mitglieder des Werkes „ihre Berufung zu neunzig Prozent ihren Eltern verdanken, denn von ihnen haben sie ihre Erziehung erhalten und von ihnen haben sie gelernt, großherzig zu sein“3.Später können uns Zeugnisse von Freunden oder älteren Geschwistern Horizonte öffnen und ermutigen,, „Salz und Licht“4 zu sein. Diese zeigen uns ähnlich wie der Täufer, wo Jesus zu finden ist, und laden uns ein, die Freude am Leben mit ihm zu entdecken. In dieser Gebetszeit wollen wir Gott für all diejenigen danken, die uns auf unserem Weg des Glaubens und der Berufung begleitet haben, und ihn bitten, uns zu helfen, selbst wie Eli und der Täufer zu sein, um unseren Mitmenschen den Weg zum Herrn zu zeigen.


ALS DIE BEIDEN Jünger, Johannes und Andreas, sich Jesus vorstellen und ihn – vielleicht auch aus Verlegenheit oder Neugier – fragen, wo er wohne, antwortet der Herr: Kommt und seht (Joh 1,39). Er gibt ihnen keine genaue Information. Christus lädt sie vielmehr ein, sich aufzumachen und in etwas Tieferes einzutauchen: Er öffnet ihnen die Türen seines Hauses und seines Herzens. Und sie nehmen die Einladung an: Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm (Joh 1,39). Johannes war von dieser Begegnung mit dem Herrn so beeindruckt, dass er sich noch Jahrzehnte später, als er sein Evangelium schrieb, an die Uhrzeit erinnerte: vier Uhr nachmittags (vgl. Joh 1,39). Papst Franziskus weist darauf hin, dass das etwas ist, „das uns zu denken gibt: Jede authentische Begegnung mit Jesus bleibt im Gedächtnis lebendig, sie bleibt unvergesslich. Man vergisst viele Begegnungen, aber die wahre Begegnung mit Jesus bleibt immer. Und jene Menschen erinnerten sich viele Jahre später sogar an den genauen Zeitpunkt, sie konnten diese so glückliche, so erfüllende Begegnung nicht vergessen, die ihr Leben verändert hatte.“5

Vielleicht hatten sich Johannes und Andreas deshalb an Jesus gewandt, um zu erfahren, wohin sie sich in Zeiten möglicher Not wenden könnten. Auch andere Personen im Evangelium kamen auf der Suche nach klaren Antworten zu ihm. So fragte etwa der reiche junge Mann: Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? (Mt 19,16). Und der Herr antwortet immer, indem er uns einlädt, das Leben mit ihm zu teilen, denn das ist das wahre Ideal, das unsere Sehnsucht nach Glück befriedigt. Papst Franziskus bestätigt dies: „Wir werden viele Erfahrungen machen können, vieles verwirklichen, Beziehungen mit vielen Menschen eingehen, doch allein das Treffen mit Jesus, zu jener Stunde, die Gott kennt, kann unserem Leben vollen Sinn geben und unsere Pläne und Initiativen fruchtbar machen.“6 Unabhängig davon, ob unsere Berufung die Ehe oder der Zölibat ist, sie ist eine Berufung, unser Leben mit Gott zu teilen und es anderen zu schenken. Ganz sicher hätte Johannes, als er rückblickend sein Evangelium schrieb, nichts gegen die Gelegenheit getauscht, Christus folgen zu können. So wirkt Gott in jeder Person, wie der Autor der „Nachfolge Christi“ schrieb: „Die edle Liebe Jesu treibt zu großen Taten und weckt das Verlangen nach immer größerer Vollkommenheit. Die Liebe drängt zur Höhe und will nicht an die niedrigen Dinge gefesselt sein.“7


IM RAHMEN SEINER SCHILDERUNG ihrer ersten Begegnung mit Jesus berichtet Johannes von der unmittelbaren Reaktion des Andreas: Er ging zu seinem Bruder Simon und teilte ihm mit, er habe den Messias gefunden. Doch er beschränkte sich nicht darauf, sondern wollte, dass Simon ihn mit eigenen Augen sieht. So brachte er ihn vor den Herrn, der ihn anschaute und zu ihm sagte:: Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels (Joh 1,42).

Wenn jemand eine gute Nachricht erhält oder ihm etwas passiert, das ihn mit Freude erfüllt, ist seine erste natürliche Reaktion, dies mit seinen Lieben zu teilen. Und das vervielfacht gleichzeitig die Freude, weil es andere mit dem Grund zur Freude ansteckt. So handelten auch Andreas und die anderen Apostel. Sie beschränkten sich bei der Weitergabe des Evangeliums nicht auf die Weitergabe von Anweisungen, sondern vermittelten eine Wirklichkeit, die sie mit Freude erfüllte und die sie selbst mit ihrem Leben bezeugten. Deshalb schrieb der heilige Josefmaria: „Du, der du mitten in der Welt lebst, als ein Bürger mehr unter deinen Mitbürgern, in Kontakt mit Menschen, die sich für gut oder weniger gut halten …, du musst den ständigen Wunsch spüren, an sie alle etwas von der Freude weiterzugeben, die dich erfüllt, weil du Christ bist.“8

Die Jungfrau Maria überbrachte ihrer Verwandten Elisabeth die Freude, den Messias empfangen zu haben. Im Magnifikat rühmte sie, was der Herr in ihrer Seele getan hatte, und offenbarte, dass seine Barmherzigkeit allen Menschen zuteil werden würde (vgl. Lk 1,46-56). Folgen wir der Einladung des heiligen Josefmaria, der schrieb: „Unser Gebet kann sich mit diesem Gebet Mariens vereinen und es nachahmen. Wir werden wie sie den Wunsch verspüren zu singen und die Großtaten Gottes zu verkünden, um die ganze Menschheit und alle Geschöpfe an unserem Glück teilhaben zu lassen.“9


1 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 15.1.2012.

2 Ebd.

3 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 104.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 22.

5 Franziskus, Angelus-Gebet, 17.1.2021.

6 Ders., Angelus-Gebet, 14.1.2018.

7 Thomas von Kempen, Die Nachfolge Christi, 3, 5, 2.

8 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 321.

9 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 144.