Der Erdenlauf um die Sonne markiert die Geschichte unseres Lebens: Aus dem Kreis machen wir eine Linie, Jahr um Jahr länger. Dabei heißt unsere Erwartung langes Leben. Sie richtet sich ja nicht auf das Ende, sondern jedes Mal auf das neue Jahr, das unsere Linie verlängern soll. Vom Glauben her machen wir aus der Linie der Geschichte Gottes auf Erden einen Kreis: Die Entfaltung des Christusgeheimnisses in uns, im Laufe des Kirchenjahres. Wir entziehen uns damit dem rein Naturhaften, dem Kreisen der Gestirne. Christus ist die Mitte unserer inneren Bewegung. Hier geht es nicht um unbestimmtes Warten, sondern um eine Erwartung, die Hoffnung ist – Hoffnung auf Vollendung.
Erwartung ist ein schönes Wort, das nach gespannter innerer Stille klingt. Doch fällt es schwer, die Tage des Advents mit diesem inneren Anspruch zu erfüllen: Weihnachtsgrüße, Besorgungen, Hektik... – Es ist nicht leicht, sich all dem äußeren Getümmel zu entziehen. Ein erster kleiner Schritt der Befreiung könnte sein: sich in heiterem Staunen fragen, wieso die adventliche Vorbereitung auf die „Stille Nacht“ soviel Trubel verlangt. Dies wäre ein Anfang der Besinnung und eine Festigung der Hoffnung, die auf Gott baut.
In Macht und Herrlichkeit
Zu Beginn des Advents ist die Kirche eben noch nicht bei der Stillen Nacht angelangt. Zuvor lässt sie uns das „Ende“ betrachten, das sie „Vollendung“ nennt: die Wiederkunft des Herrn. Sie gehört – nicht weniger als Weihnachten – zur Substanz des Glaubens, lässt sich aber nicht so leicht vom Gefühl her erschließen. Stimmungsvolle Bilder gibt es hier nicht. Die Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit ist – in Umkehrung der natürlichen Folge von Ursache und Wirkung – gleichsam die Ursache von Weihnachten, der Zielpunkt der Menschwerdung. Auch sie hat mit dem Geheimnis einer stillen Nacht ganz anderer Stimmung zu tun, denn der Herr wird kommen „wie ein Dieb in der Nacht“.
Der Advent ist eine Zeit der Hoffnung, die der Adventskranz im Symbol des zunehmenden Lichtes geradezu sichtbar macht. Sich diesem Licht aussetzen heißt zuerst, sich der Schatten bewusst zu werden, die das eigene Leben von innen her verdunkeln. Nicht von uns kommt die Hoffnung auf Erfüllung, sondern von Gott. So gilt vor allem, sich Zeit für das Gebet zu nehmen. Und sich zu vergegenwärtigen, dass der Herr, dessen Kommen wir erwarten, immer da und immer im Kommen ist. Mit einem Wort des heiligen Josefmaria: „Advent. Wie sehr drängt uns diese Zeit, unsere Erwartung, unsere Sehnsucht, unser aufrichtiges Verlangen nach dem Kommen Christi zu erneuern! Und Er kommt ja jeden Tag in deine Seele, in der Eucharistie! - „Ecce veniet! – Siehe, Er kommt bald!, so ruft uns die Kirche zu.“ (Im Feuer der Schmiede, 548)
Die Erde soll selbst Himmel werden
Nach Thomas von Aquin lehrte uns der Herr die Hoffnung, als er uns sein Gebet lehrte. Der Kardinal Ratzinger kommentierte das so: „Das Vaterunser ist Schule der Hoffnung – ihre konkrete Einübung. (...) Ein verzweifelter Mensch betet nicht mehr, weil er nicht mehr hofft; ein seiner selbst und seiner Macht sicherer Mensch betet nicht, weil er sich nur auf sich selber verlässt. Wer betet, hofft auf eine Güte und eine Macht, die über sein eigenes Vermögen hinausgehen. Gebet ist Hoffnung im Vollzug. (...) All unsere Hoffnungen münden in der einen Hoffnung: Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Die Erde werde wie der Himmel, sie soll selbst Himmel werden. In seinem Willen steht all unsere Hoffnung.“ Und der jetzige Papst rundet den Gedanken mit diesem Wort: „Betenlernen ist hoffenlernen und ist darum lebenlernen“ (Auf Christus schauen, S. 26).